Bobath-Konzept: Babyentwicklung durch gezielte Griffe fördern

Ursprünglich zur Behandlung behinderter Kinder entwickelt, kann die richtige Haltung z. B. beim Tragen oder Umdrehen Ihrem Baby bei leichten Entwicklungsstörungen oder -verzögerungen helfen. Im täglichen Umgang mit Ihrem Kind können Sie ganz „nebenbei“ die Babyentwicklung unterstützen. 

Inhaltsverzeichnis

Baby richtig halten mit dem Konzept nach Bobath

Der Neurologe Dr. Karel Bobath und seine Frau Berta Bobath, eine hervorragende Krankengymnastin, entwickelten in den 40er Jahren eine ganzheitliche krankengymnastische Therapiemethode zur Behandlung von Schlaganfall-Patienten. Schon bald jedoch wurde das Konzept nach Bobath mit großem Erfolg auf Säuglinge und Kleinkinder mit angeborenen Bewegungsstörungen übertragen. Die Fähigkeiten des Kindes werden dabei spielerisch eingesetzt, um es in der Entwicklung neuer Fertigkeiten zu unterstützen. Durch die gezielte Nutzung von angeborenen Gleichgewichts-, Stell- und Stützreaktionen und die Anwendung bestimmter Schlüsselpunkte

Unterstützung der Babyentwicklung durch die richtigen Griffe

Ein wichtiger Bestandteil des Konzeptes nach Bobath ist das „Handling“. Damit ist die tägliche „Handhabung“ des Kindes gemeint, z. B. wie trage ich mein Kind am besten, wie und in welcher Position füttere ich mein Kind, wie soll ich mein Baby richtig halten.

Dabei werden die Eltern aktiv eingebunden und lernen, ihr Kind so hochzuheben und zu tragen, dass sie seine Haltung und Bewegungen optimal unterstützen, ihm Sicherheit vermitteln und damit die Babyentwicklung fördern.

Mit der entsprechenden Anleitung und etwas Übung können Eltern ihr Kind beim Wickeln, An- und Ausziehen, Tragen, Heben, Spielen und Füttern mehrmals jeden Tag „behandeln“.

Ein Handling nach Bobath empfiehlt sich bei folgenden Auffälligkeiten:

  • auffällige Bewegungsmuster (z. B. Bewegungsarmut, stereotype Bewegungen, Bevorzugung einer Körperseite)
  • auffällige Haltung (z. B. asymmetrische Körperhaltung, andere Fehlhaltungen wie wiederkehrende Überstreckung des Rumpfes und des Nackens)
  • Entwicklungsverzögerungen
  • zu hohe oder zu niedrige Muskelspannung (Hypertonus oder Spastik bzw. Hypotonus oder Lähmung)
  • orthopädische Krankheitsbilder wie Fußfehlstellungen, Wirbelsäulenverkrümmung, Schiefhals (auch KISS-Syndrom)
  • Probleme der Wahrnehmungsverarbeitung, Gleichgewichtsund Koordinationsstörungen
  • vermehrte Erregbarkeit, Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus oder Ess- und Trinkstörungen im Säuglingsalter
  • bei Frühgeborenen

Richtiges Handling unterstützt auch gesunde Babys in der Entwicklung

Während meiner Ausbildung in der Kinderheilkunde hatte ich einen Chefarzt, der uns Assistenten genau beibrachte, wie wir die Säuglinge bei der Untersuchung halten und umdrehen sollten, damit sie gut unterstützt wurden und sich sicher fühlten. Inzwischen weiß ich, dass diese hilfreichen Handgriffe alle an das Konzept von Bobath angelehnt waren. Sie sind für gesunde Babys genauso gut geeignet wie für bewegungsauffällige Kinder.

Bitte beachten Sie folgende Grundregeln für das Handling nach Bobath:

  • Verzichten Sie auf Schmuck an den Händen (Ringe, Armreifen).
  • Sprechen oder singen Sie nebenbei mit Ihrem Kind. Erzählen Sie ihm etwa, was Sie gerade machen. Geben Sie Ihrem Baby z. B. beim Wickeln zusätzlich ein Spielzeug.
  • Machen Sie keine hastigen Bewegungen und geben Sie Ihrem Baby genügend Zeit, sich auf Lageveränderungen einzustellen.
  • Bewegen Sie Ihr Kind möglichst fließend und niemals ruckartig. Ziehen Sie nicht an den Gelenken (z. B. Zug an den Füßen, um den Po beim Wickeln hochzuheben).
  • Achten Sie darauf, dass der Kopf Ihres Kindes nicht nach hinten in den Nacken fällt.
  • Halten Sie Ihr Baby immer so nah wie möglich am Körper.
  • Achten Sie darauf, beide Körperseiten Ihres Kindes gleichermaßen zu fördern (z. B. Hochnehmen über die linke wie die rechte Seite). Hat Ihr Kind eine „Lieblingsseite“, ist es natürlich sinnvoll, gerade die „unbeliebte“ Körperseite stärker zu fördern.
  • Es ist völlig normal, dass Ihnen die Bewegungsabläufe anfangs eher umständlich erscheinen. Wenn Sie die Bewegungen jedoch ein paar Mal ausgeführt haben, werden Sie Ihnen schnell zur Gewohnheit werden.

Baby richtig halten

Aufheben aus der Rückenlage (ab siebter Lebenswoche)

Aufheben des Babys aus der Rückenlage unterstützt die Babyentwicklung. Legen Sie Ihre Hände links und rechts unter die Schulterblätter Ihres auf dem Rücken liegenden Babys, wobei Sie mit den Daumen unter dem Arm des Babys hindurch auf die Brust fassen. Drehen Sie Ihr Baby dann auf die Seite. Wenn die linke Körperseite des Babys nach unten kommt, legen Sie sein rechtes Bein über Ihren rechten Unterarm (siehe Abbildung 1). Wenn Sie Ihr Kind auf die rechte Seite drehen, kommt entsprechend Babys linkes Bein auf Ihren linken Unterarm. 

Legen Sie die Hand, die an der oberen Babyschulter liegt, nun samt Daumen von außen auf die Schulter, damit Sie sich nicht selbst verrenken. Erst wenn Ihr Kind sich in der Seitlage ausgerichtet hat (besonders wichtig: aktive Kopfhaltung Ihres Babys), heben Sie es auf. Beugen Sie sich zu Ihrem Kind hinunter und halten Sie es beim Aufheben nah am Körper.

Tragen im Ein-Bein-Griff

Variante 1 (ab neunter Woche): 

Wenn Sie Ihr Baby wie oben beschrieben aus der Rückenlage aufgehoben haben, brauchen Sie es nur noch mit seinem Rücken an Ihren Körper zu führen, damit es sicher und gut gestützt getragen werden kann (siehe Abbildung 2). So kann es seine Umgebung beobachten. Die an der Schulter außen liegende Hand brauchen Sie zur Stabilisierung des Kindes nun nicht mehr, sodass Sie eine Hand frei haben. 
Variante 2 (ab zwölfter Woche): 

Bei dieser Variante wird der Körper des Babys etwas weniger gestützt als bei Variante 1. Halten Sie Ihr Baby ebenfalls mit seinem Rücken an Ihre Brust. Greifen Sie mit Ihrer linken Hand schräg über den Bauch Ihres Babys zu seinem rechten Oberschenkel. Halten und stützen Sie Ihr Kind, indem Sie das rechte Bein an den Bauch ziehen, es also im Hüft- und Kniegelenk beugen (siehe Abbildung 3).Halten Sie Ihr Kind mit der rechten Hand, ergreifen Sie entsprechend seinen linken Oberschenkel. Wechseln Sie immer wieder die Hand!

Tragen in Bauch- und Seitenlage (ab zwölfter Lebenswoche)



Ihr Kind befindet sich in der Bauchlage. Fahren Sie mit einer Hand unter seiner Brust hindurch und umgreifen Sie seinen körperfernen Oberarm. Soll Ihr Kind wie auf Abbildung 4 den Kopf auf Ihrer linken Körperseite haben, umgreifen Sie also mit Ihrer linken Hand den rechten Oberarm.

Der freie (in diesem Fall der linke) Arm des Babys liegt vor Ihrem Unterarm. Fahren Sie mit der anderen Hand zwischen den Beinen des Babys hindurch und unterstützen Sie seinen Körper im Bereich von Becken und Bauch.

In der Bauchlage hat Ihr Baby jedoch keine Rundumsicht. Wenn Sie es jetzt noch mit dem Rücken zu Ihrem Körper drehen, befindet es sich in Seitlage (siehe Abbildung 5) und kann seine Umwelt gut beobachten.

Wichtig: Die hier gegebenen Hinweise zum Handling sind nicht zur Selbstbehandlung bei Haltungs- und Bewegungsstörungen gedacht, sondern dafür die gesunde Babyentwicklung zu fördern. Bitte lassen Sie Ihr Baby bei Auffälligkeiten immer vom Kinderarzt untersuchen, der ggf. eine krankengymnastische Behandlung verordnet. Die Krankengymnastin wird Sie speziell anhand der Bedürfnisse Ihres Kindes anleiten. Bobath-Therapeuten in Ihrer Nähe finden Sie unter www.bobath-vereinigung.de 

Windeln wechseln

Variante 1 (ab Geburt): 

Greifen Sie seitlich unter dem einen Oberschenkel hindurch und umfassen Sie den anderen Oberschenkel. Wenn Sie mit der rechten Hand die Windel unterschieben wollen, umfassen Sie mit Ihrer linken Hand den Oberschenkel des entfernteren Beins, also in diesem Fall das linke Bein Ihres Babys (siehe Abbildung 6). Der andere Oberschenkel liegt auf diese Weise automatisch auf Ihrem Handrücken und wird beim Hochheben gut gestützt.
Variante 2 (ab Geburt): 

Sie können auch nur einen Oberschenkel stützen, indem Sie z. B. mit Ihrer rechten Hand den rechten Oberschenkel Ihres Kindes umfassen. Wenn Sie das Bein nun in Richtung der gegenüberliegenden (in diesem Beispiel der linken) Schulter des Babys bewegen, hebt sich der Po auf der rechten Seite von der Unterlage ab (siehe Abbildung 7) und Sie können dort die Windel entfernen bzw. unterschieben. Dann wiederholen Sie diesen Vorgang auch auf der anderen Seite.

Es gibt noch eine Reihe weiterer Handgriffe, etwa beim Füttern, An- oder Ausziehen. Doch sind diese etwas umständlicher, sodass Sie bei einem gesunden Baby darauf verzichten können.