Brauchen Mädchen eine andere Erziehung als Jungen?

Spätestens im Karneval wird es ganz deutlich: Kleine Mädchen verwandeln sich in rosarote Prinzessinnen und Feen, kleine Jungs in mutige Sheriffs und Piraten mit Pistole oder Säbel. Der „kleine Unterschied“ ist auch auf anderen Gebieten unübersehbar. Sollten Eltern Jungen und Mädchen unterschiedlich erziehen? 

Inhaltsverzeichnis

Erziehungs-Tipps für Kinder: Jungen und Mädchen erziehen

Auch wenn Jungen und Mädchen gleich erzogen werden, zeigen sie unterschiedliche Verhaltensweisen und haben unterschiedliche Stärken und Schwächen, deshalb macht es Sinn, Jungen wie Mädchen geschlechtsspezifisch zu unterstützen und zu erziehen. Trotzdem gibt es einige Erziehungsgrundsätze, die beiden Geschlechtern gut tun. Lesen Sie hier einige Erziehungs-Tipps für Kinder, mit denen diese zu starken Persönlichkeiten werden.

Jungen erziehen: Achtung, Hormonschub!

Schon in Mamas Bauch beginnt bei kleinen Jungen die Produktion des männlichen Geschlechtshormons Testosteron – und zwar ab der achten Schwangerschaftswoche. Denn erst das Testosteron bewirkt, dass sich das Ungeborene zu einem Jungen entwickelt. Fehlt es, wächst automatisch ein Mädchen heran. Nach der Geburt ist der Testosteronspiegel so hoch wie bei einem Zweijährigen und sinkt in den folgenden Monaten um etwa 80 Prozent ab. Im vierten Lebensjahr gibt es dann erneut eine regelrechte Hormonschwemme! Der Testosteronspiegel verdoppelt sich. Bei der Erziehung von Jungen sollten Sie beachten, dass kleine Jungs in diesem Alter wilder sind und mehr Bewegung und gezielte Erziehungs- bzw. Beschäftigungsmaßnahmen brauchen.

Mädchen erziehen: Das tut kleinen Prinzessinnen gut

  • Mädchen dürfen toben und sich schmutzig machen. Eine solche Erziehung fördert ihre motorischen Fähigkeiten, stärkt das Selbstbewusstsein und hilft ihnen, die eigenen Kräfte besser einzuschätzen. Ermutigen Sie Ihre Tochter ganz gezielt dazu. Übrigens: Eine kleine spielerische Balgerei mit dem Papa macht auch Mädchen Spaß und dient der Erziehung!
  • Trauen Sie Ihrer Tochter etwas zu! Eltern neigen beim Erziehen dazu, ein Mädchen stärker zu beschützen und ihm Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Lassen Sie Ihre Tochter los und erlauben Sie ihr, eigene Erfahrungen und Fehler zu machen. Nur wer selbst etwas geschafft hat, entwickelt Stärke und Selbstvertrauen.
  • Zeigen Sie Ihrer Tochter, dass sie etwas bewirken kann. Räumen Sie ihr so viel Mitspracherecht wie möglich ein. Lassen Sie sie entscheiden, ob sie lieber den rosa oder den lila Pulli anziehen möchte, ob der nächste Ausflug in den Zoo oder ins Schwimmbad geht. Es stärkt ihr Selbstbewusstsein, wenn sie feststellt, dass sie etwas zu sagen hat.
  • Lassen Sie Aggressionen zu. Mädchen dürfen wütend werden, schreien, auch mal aus dem Zimmer laufen und die Tür zuknallen. Aggressionen sind ganz normal. Wut ist ein Gefühl wie jedes andere und darf ausgelebt werden (solange dabei kein anderer Schaden nimmt), damit später nicht die Gefahr besteht, dass Ihre Tochter solche Gefühle unterdrückt oder gegen sich selbst richtet.
  • Technik macht auch Mädchen Spaß. Häufig werden Mädchen für wenig technikbegeistert gehalten, und daher werden ihnen entsprechende Angebote einfach vorenthalten. Nehmen Sie Ihre Tochter ruhig mit, wenn Sie etwas am Auto zu tun haben (z. B. Öl nachfüllen), gehen Sie mit ihr in ein technisches Museum oder kaufen Sie ihr später einen Experimentierkasten.
  • Fördern Sie die räumliche Wahrnehmung Ihrer Tochter. Jungen haben eine bessere räumliche Vorstellungskraft, deshalb haben sie später weniger Probleme beim Einparken oder beim Kartenlesen. Trainieren Sie im Zuge der Erziehung die Raumwahrnehmung mit Ihrer Tochter durch Such- und Zuordnungsspiele. Ideal ist auch eine Motorikschleife (im Babyfachhandel oder in Spielwarenläden erhältlich).
  • Konflikte sind nichts Schlimmes. Mädchen neigen dazu, sich mehr gefallen zu lassen, um die Freundschaft oder die Anerkennung anderer nicht zu verlieren. Unterstützen Sie Ihre Tochter z. B. bei Streit auf dem Spielplatz. Zeigen Sie ihr, wie sie für ihr Anliegen eintreten und ohne zu schlagen das Gewünschte bekommen kann. Auch wenn Sie anfangs noch helfen müssen, wird Ihre Tochter bald lernen, sich durchzusetzen und Konflikte alleine zu lösen. Ab einem Alter von etwa fünf Jahren ist ein Selbstverteidigungskurs speziell für Mädchen empfehlenswert.
  • Stubenhocker an die frische Luft.Viele Mädchen malen und basteln gerne, spielen und toben dafür aber seltener draußen als Jungen. Unser Erziehungstipp: Gehen Sie mit Ihrer Tochter öfter als Ausgleich raus, z. B. auf den Spielplatz.

Jungen erziehen: So stärken Sie kleine Draufgänger

  • Jungen brauchen mehr männliche Rollenvorbilder. Gerade in den ersten Lebensjahren hat ein kleiner Junge überwiegend Kontakt zu Frauen: Die erste Frau im Leben ist seine Mutter, doch auch im Kindergarten und in der Grundschule haben es die Kleinen meist mit weiblichen Wesen zu tun. Als Ausgleich ist der Papa besonders wichtig. Falls Sie allein erziehend sind, können auch ein Opa, ein Onkel oder der Trainer im Fußballverein als männliches Rollenvorbild einspringen und so bei der Erziehung helfen.
  • Akzeptieren Sie die Freunde Ihres Sohnes – auch dann, wenn Sie nicht gerade glücklich sind, dass Ihr Sohn sich die größten Draufgänger und Rabauken des ganzen Kindergartens als Kumpel ausgesucht hat. Aber die sind für Ihren Sohn vielleicht gerade „typisch männlich“ und so möchte er einer von ihnen sein.
  • Papa, spiel mit mir! Väter spielen anders als Mütter. Sie sind weniger vorsichtig, sorgen für mehr Abwechslung, fördern den Entdeckergeist. Besonders toll finden es kleine Jungs, wenn sie dem Papa helfen dürfen. Sie möchten am Leben ihrer Väter teilhaben und einbezogen sein. Also Väter, helft beim Erziehen und spielt mit euren Söhnen!
  • Helfen Sie Ihrem Sohn, Konflikte friedlich zu lösen. Auch wenn kleine Jungen „furchtbar stark“ sein möchten und gerne raufen, müssen sie lernen, Streitereien ohne den Einsatz der Fäuste auszutragen. Bringen Sie Ihrem Sohn das kleine Einmaleins der Kommunikation bei, etwa aufmerksam zuzuhören, andere ausreden zu lassen und interessierte Fragen zu stellen.
  • Fördern Sie bei Ihrem Jungen gezielt das Sprachvermögen. Sprechen Sie viel mit Ihrem Sohn, lesen Sie ihm vor, machen Sie Reime und Wortspiele mit ihm. All das hilft ihm, seine sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern und ist somit förderlich bei der Erziehung.
  • Trainieren Sie mit Ihrem Sohn die Handgeschicklichkeit. Mädchen sind mit den Händen oft geschickter. Basteln und malen Sie deshalb viel mit Ihrem Sohn. Regen Sie ihn an, Dinge aufeinander zu stapeln, aus Knete Figuren herzustellen oder Perlen aufzufädeln. Das stärkt  eine Feinmotorik und macht das Erziehen angenehm.
  • Mehr Einfühlungsvermögen kann Ihr Junge mit Ihnen üben. Mädchen können die Gefühle anderer Menschen leichter einordnen. Doch mit etwas „Nachhilfe“ schaffen das auch Jungs. Sie können z. B. mit Kasperlepuppen oder Plüschtieren Situationen gestalten, in denen Ihr Sohn erkennen kann, dass eine Puppe oder ein Tier traurig ist. Kann er den Grund des  Kummers herausfinden? Kann Ihr Sohn trösten?
  • Erklären Sie Ihrem Sohn, dass Jungen dieselben Gefühle haben wie Mädchen, sie aber üblicherweise nicht so zeigen. „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ könnte dann z. B. umformuliert werden zu: „Ein Indianer fühlt genau so Schmerzen, er zeigt ihn aber nur gegenüber bestimmten Menschen.“
Zum Weiterlesen
„Jungen sind anders, Mädchen auch“ von Melitta Walter (Kösel 2005; 237 Seiten; 15,95 €); „Lauter starke Mädchen“  von Sylvia Schneider (Rowohlt 2003; 208 Seiten; 9,90 €); „Jungen! Wie sie glücklich heranwachsen“ von Steve Biddulph (Heyne 2002; 253 Seiten; 8,95 €)