Erziehungstipps: Wenn Eltern sich nicht einig sind

In vielen Familien gibt es unterschiedliche Auffassungen, was die Erziehung der angeht. Oft hängt deswegen sogar der Haussegen schief. Doch müssen – oder können – Eltern sich bei der Erziehung überhaupt immer einig sein? 

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Hilfe bei Erziehungsproblemen

In Mutter und Vater findet jedes Kind zwei Bezugspersonen, die unterschiedlich denken, fühlen und handeln. Eltern werden nie in allem einer Meinung sein. Das ist aber durchaus kein Nachteil, sondern kann sehr anregend sein. Kinder müssen spüren, dass es verschiedene Arten gibt, gefüttert, getröstet oder ins Bett gebracht zu werden. Unterschiedliche Auffassungen bei der Erziehung haben auch nichts damit zu tun, dass der eine besser und der andere schlechter erzieht. Kinder lernen dadurch zu vergleichen und erfahren, welches Modell angemessener ist. Die Begegnung mit unterschiedlichen Erziehungsstilen macht Kinder lebenstüchtig, gibt ihnen Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, sich in verschiedenen Situationen des Alltags zurechtzufinden und zu behaupten.

Erziehungsstile: Die „Alltags-Mama“ und der „Freizeit-Papa“

In den meisten Familien ist es immer noch die Mutter, die sich überwiegend um die Erziehung der Kinder kümmert, während der Vater ganztags außer Haus seinem Beruf nachgeht. Unterschiedliche Erziehungsstile ergeben sich allein aus der Nähe oder Distanz zum Kind.

Mütter sind oft für die lästigen und unangenehmen Dinge im Leben des Kindes zuständig: Sie überwachen das Zähneputzen, gehen gewissenhaft zu allen vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchungen, bringen ihr Kind zur Krankengymnastik oder Ergotherapie und überwachen, dass es auch zu Hause übt, und sie achten darauf, dass es bei einer Erkrankung regelmäßig die verordnete Medizin einnimmt. Deswegen können sie das Kind oft realistischer einschätzen als der Vater und sind häufig auch konsequenter in der Erziehung, um sich nicht in tägliche Kleinkriege zu verstricken.

Die Väter hingegen wollen ihrem Kind in der knapp bemessenen Freizeit nahe sein, sich sozusagen bei ihm beliebt machen, und treffen deswegen ungern unpopuläre Entscheidungen. Väter sind daher oft nachgiebiger und gelassener. Sie sind häufig „zuständig“ für das Toben und Balgen, das Spielen und Bauen, für abenteuerliche und sportliche Unternehmungen

Übrigens: Ist in einer Familie die Aufteilung anders – die Mutter geht arbeiten, während der Vater Hausmann ist –, ist meist der Vater konsequenter in der Erziehung!

Die Herkunftsfamilien prägen die Erziehungsstile

Jeder Elternteil bringt seine eigene Lebensgeschichte mit. Je nachdem, wie es früher bei ihm zu Hause zuging, wird er entweder vertraute Muster aus seiner eigenen Erziehung übernehmen oder aber sich ganz bewusst dagegen entscheiden und alles anders machen wollen. Haben Sie z. B. früher unter Ihrem strengen Vater gelitten und häufig Angst vor ihm gehabt, möchten Sie es jetzt bei Ihrem Kind besser machen und sind deshalb vielleicht eher zu nachsichtig. Ihr Partner versucht möglicherweise im Gegenzug – „Wir mussten auch folgen, und es hat uns nicht geschadet!“ – Ihre Nachsicht auszugleichen, indem er einen eher strengen Erziehungsstil praktiziert.

Das System Familie

In einer Familie können die einzelnen Familienmitglieder nicht isoliert betrachtet werden. Jeder ist von jedem abhängig. Das gilt auch für die Erziehung. Gibt es unterschiedliche Erziehungsstile, kann das sogar zu einem richtigen Teufelskreis führen. Je strenger und konsequenter sich der eine Elternteil verhält, umso mehr versucht beispielsweise der andere Elternteil, die „Härte“ auszugleichen, und ist besonders nachgiebig. Das verunsichert wiederum die Kinder, die nun oft nicht mehr wissen, wie sie sich verhalten und wem sie folgen sollen. Entsprechend „unfolgsam“ führen sie sich dann auch auf, was den konsequenten Elternteil nur zu noch strengerem Verhalten verleitet, während der andere „zum Ausgleich“ den Partner ständig milde stimmen will und um Nachsicht für die Kinder bittet. Die Frage nach der Ursache ist müßig. Wesentlich ist, dass diese Eskalationsspirale an jedem Punkt beliebig unterbrochen werden kann – und zwar von allen Beteiligten. So etwa kann der bisher ausgleichend nachgiebigere Elternteil nun bewusst strenger sein. Nicht selten wird dann der bisher strengere Teil plötzlich nachsichtiger reagieren. Allerdings ist es eine ziemliche Überwindung, sich „ungewöhnlich“ zu verhalten.

Mein Tipp für gemeinsame Erziehungsgrundsätze
Grundsätzlich ist es ratsamer, selbst eine Veränderung herbeizuführen, anstatt darauf zu warten, dass der Partner sich – den Vorwürfen entsprechend – verändert.

Erziehungstipp: Bleiben Sie gelassen!

Hat Ihr Partner in einer Erziehungsfrage ganz anders entschieden, als Ihnen lieb ist, sollten Sie Ihren Ärger zunächst hinunterschlucken und nicht gleich aufbrausen. Vielleicht hilft es Ihnen, tief durchzuatmen und leise bis zehn zu zählen? Besprechen Sie den Vorfall in Ruhe und möglichst in einem gewissen zeitlichen Abstand mit Ihrem Partner, sodass Sie vernünftig darüber reden können, ohne gleich in einen Streit zu geraten.



Prinzipiell ist es für Kinder nicht schädlich, wenn sie einen fairen Streit oder eine heftige Diskussion zwischen den Eltern mitbekommen. Wichtig ist nur, dass sie auch die nachfolgende Einigung oder zumindest die Beilegung des Streites erleben.



Doch sollten strittige Erziehungsgrundsätze nicht vor dem Kind ausdiskutiert werden.



Als demokratische Alternative bietet sich eine Familienkonferenz an. Ihr Kind lernt dabei, wie man sich bei Konflikten fair mit anderen auseinander setzt. Und außerdem werden neue Regeln, die Sie gemeinsam beschließen, besser eingehalten als Regeln, die Sie Ihrem Kind quasi aufzwingen. So lernen selbst kleine Kinder schon, Verantwortung für ihre Vorschläge und Entscheidungen zu übernehmen.

Sprechen Sie über Ihre Erziehungsgrundsätze!

Setzen Sie sich abends zusammen, um ohne Kind in Ruhe zu besprechen, was Ihnen und Ihrem Partner in der Erziehung wichtig ist:

  • Wann soll Ihr Kind im Bett sein?
  • Darf es bei Ihnen im Ehebett schlafen? In welchen Situationen?
  • Wie viel können Sie Ihrem Kind zutrauen? Kann es schon
  • alleine zum Bäcker um die Ecke Semmeln holen?
  • Wie viel Süßigkeiten sind erlaubt?
  • Welche Regeln sollen bei Tisch gelten?
  • Darf Ihr Kind fernsehen und, wenn ja, wie lange pro Tag?
  • Welche Sendungen?

Welche Werte sind Ihnen und Ihrem Partner wichtig?

Wie wichtig sind Ihnen Verantwortungsbewusstsein, Selbstständigkeit, Regelbewusstsein, Rücksichtnahme, Höflichkeit? Wenn Sie über diese Werte und Ansprüche sprechen, wird es oft viel leichter, geeignete Erziehungsmaßnahmen zu finden.

Erziehungstipp: Sprechen Sie aber auch über Ihren Erziehungsstil!

  • In welchen Situationen folgt Ihr Kind und wann müssen Sie es fünfmal – ohne großen Erfolg – ermahnen?
  • Was machen Sie anders in den Situationen, in denen der Gehorsam klappt?
  • Könnten Sie dieses „Erziehungs-Erfolgsmodell“ auch auf weitere Situationen anwenden?
  • Welche Konsequenzen könnten Sie beide in bestimmten schwierigen Erziehungssituationen einsetzen?
  • Wo müssten Sie mehr Zeit im Tagesablauf einplanen, damit die Nerven nicht so schnell blank liegen?

Manchmal ist das gleiche Erziehungsziel mit verschiedenen Methoden zu erreichen. Wenn sich z. B. beide Eltern einig sind, dass ihr Kind Grenzen akzeptieren lernen soll, dann kann die Mutter es ihm beibringen, indem sie etwa die Schlafenszeit konsequent einhält, und der Vater kann sich zum gleichen Thema einbringen, indem er beim Fußball auf Fairness besteht.

Mein Tipp für gemeinsame Erziehungsgrundsätze
Wenn Sie Ihrem Partner sagen wollen, dass Sie mit seinem Erziehungsstil nicht einverstanden sind, sollten Sie Schuldzuweisungen vermeiden. Sagen Sie z. B. nicht „Du schreist immer gleich los“. Sprechen Sie in „Ich-Botschaften“ und drücken Sie Verständnis für Ihren Partner aus: „Ich kann gut verstehen, dass du dich abends ärgerst, wenn im Wohnzimmer wieder Berge von Spielzeug auf dem Boden liegen. Aber wir haben beide gesehen, dass es wenig nützt, wenn du Max anschreist, er solle jetzt endlich aufräumen.“

Besprechen Sie dann andere Strategien, wie Sie gemeinsam vorgehen können, um Ihr Kind zu einem gewünschten Verhalten zu bewegen: „Was hältst du davon, wenn wir ihn nur noch einmal auffordern aufzuräumen? Dafür werden wir ihm ankündigen, dass alles, was dann noch auf dem Boden liegt, eine Woche lang weggepackt wird.“