So helfen Sie Ihrem Kind, aus Misserfolgen zu lernen
Vergesslichkeit, Streitereien, Motivationsprobleme, ein angeknackstes Selbstwertgefühl: Damit und mit manchem mehr hat Ihr Kind in der Pubertät zu kämpfen. Dass es diese „Kämpfe“ nicht immer gewinnt, sondern vielleicht auch häufiger mal eine Niederlage verdauen muss, ist nicht schön, gehört aber zum Erwachsenwerden dazu. Wichtig ist, dass sich Ihr Kind weder von den schulischen noch von den privaten Misserfolgen unterkriegen lässt. Wie Sie es dabei unterstützen können, lesen Sie hier.
- Motivation und Verhalten
- Erfolg als Normalzustand?
- Bedenken Sie: Menschen interpretieren ihre Misserfolge unterschiedlich
- Stärken Sie den Selbstwert Ihres Kindes – unabhängig vom schulischen Erfolg!
- Helfen Sie Ihrem Kind, seine Misserfolge zu akzeptieren!
- Auf die innere Haltung kommt es an
- Unser Rat: Verhalten Sie sich „vorbildlich“!
- Ändern statt ärgern: Unterstützen Sie Ihr Kind auf seiner Suche nach neuen Wegen und Zielen!
- Unser Rat: Nehmen Sie Ihrem Kind seine Arbeit nicht ab!
Motivation und Verhalten
Wer scheitert, auf den wird mit Fingern gezeigt. Handelt es sich um prominente Persönlichkeiten, wird deren Versagen gern von den Medien – mal mit mehr, mal mit weniger Niveau – breitgetreten. Eine zweite Chance, ein Neuanfang, wird den Gescheiterten nur selten zugestanden. Diese, zumindest in Deutschland, verbreitete Einstellung zum Umgang mit Misserfolgen nimmt natürlich auch Ihr Kind war.
Erfolg als Normalzustand?
Die Erwartungshaltung unserer Gesellschaft ist der Erfolg als Normalzustand. Das Scheitern hingegen ist zwar kein Tabu, aber es wird auch nicht als Normalität betrachtet im Sinne von: „Leider gescheitert, aber ich probiere es immer wieder.“
Misserfolge sind jedoch normal, heute vielleicht mehr denn je, unsere Wahrnehmung davon allerdings noch nicht. Dabei sind Faktoren wie eine hohe Qualifikation gepaart mit ausreichend Engagement schon lange kein zuverlässiger Garant mehr zum Beispiel für beruflichen Erfolg. Entlassungen oder Jobmangel lassen Menschen auch unverschuldet scheitern bzw. ihre beruflichen Ziele nicht erreichen. Doch in einer Gesellschaft, in der nur hoch gesteckte Ziele zählen, werden Misserfolge trotzdem schnell als persönliche Niederlage empfunden.
Bedenken Sie: Menschen interpretieren ihre Misserfolge unterschiedlich
In psychologischen Tests hat man herausgefunden, dass Menschen mit einem hohen Selbstwert, grundsätzlich besser mit Kritik umgehen können als solche mit einem geringen Selbstwert. Letztere meiden Situationen oder Kontakte mit anderen Menschen, bei denen sie kritisiert werden könnten. Ähnliche Unterschiede zeigen sich dann auch beim Umgang mit Misserfolgen. Menschen mit einem starken Selbstwertgefühl richten ihren Fokus in schwierigen Situationen auf ihre Stärken und machen die äußeren Umstände für ihr Scheitern verantwortlich. Menschen mit weniger Selbstwertgefühl konzentrieren sich in schwierigen Situationen eher auf ihre Schwächen und geben sich selbst die Schuld für ihr Versagen. Auch Erfolge werden unterschiedlich interpretiert. Menschen mit einem hohen Selbstwert schreiben einen Erfolg ihren Talenten zu, solche mit geringem Selbstwert vermuten eher Glück hinter ihrem Erfolg.
Stärken Sie den Selbstwert Ihres Kindes – unabhängig vom schulischen Erfolg!
„Was bin ich wert?“ Gerade dann, wenn Ihr Kind eine Niederlage verdauen muss, stellt es sich diese Frage umso dringlicher. Traurig wäre es, wenn Ihr Kind zu dem Schluss käme, dass es beispielsweise ohne schulische Erfolge nichts wert wäre. Leider denken so mehr Schüler, als man annimmt. Wer die Leistungserwartungen seiner Eltern, seiner Lehrer oder der Gesellschaft nicht erfüllen kann, kann durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass er weniger wert ist als die leistungsstarken Schüler. Umso wichtiger ist es, dass Sie Ihrem Kind immer wieder und ganz unabhängig von seinen Leistungen zeigen, dass es ein wertvoller Mensch mit vielen guten Eigenschaften und Fähigkeiten ist. Nur wenn Ihr Kind weiß, dass es trotz eines Misserfolgs ein liebenswerter, schlauer und ideenreicher Mensch mit Durchhaltevermögen ist, kann es sich bei Misserfolgen auch auf diese Stärken besinnen.
Helfen Sie Ihrem Kind, seine Misserfolge zu akzeptieren!
Jeder Misserfolg ist zunächst für Ihr Kind ein Schock, den es verarbeitet muss. Je größer der Misserfolg, umso größer ist auch der Schaden für das Selbstwertgefühl. Auf den Schock folgt dann meist die Trauer. Ihr Kind fühlt sich schlecht, es hadert damit, dass es sein Ziel nicht erreichen oder eine Idee nicht umsetzen konnte. Trösten Sie Ihr Kind und lassen Sie ihm eine gewisse Zeit zur Trauer, doch dann sollten Sie es ermutigen, über einen neuen Versuch oder einen neuen Anfang nachzudenken.
Wichtig dabei ist, dass Ihr Kind vorab den Misserfolg nicht verdrängt, sondern offen darüber redet und seine Fehler reflektiert. Also das Heft mit der 5 nicht schnell wieder zuschlagen und in der untersten Schublade vergraben, sondern Fehler anschauen, sie analysieren und überlegen, was zu tun ist, um sie beim nächsten Mal zu vermeiden – das ist der richtige Weg! Je weniger Sie als Eltern Fehler, schlechte Noten und andere Misserfolge dramatisieren, umso leichter fällt es Ihrem Kind, diese Niederlagen als „normal“ hinzunehmen, ihnen dann „genau ins Auge zu blicken“ und daraus zu lernen.
Auf die innere Haltung kommt es an
„Jedes Ding hat zwei Handhabungen; je nachdem, wie man es fasst, wird es unerträglich oder erträglich.“ Diese Aussage des stoischen Philosophen Epiktet skizziert kurz und knapp worum es beim Umgang mit Misserfolgen geht. Lässt sich Ihr Kind hängen, verharrt es in der Opferhaltung und macht es vielleicht andere für sein Versagen verantwortlich oder bescheinigt sich selbst dauerhafte Unfähigkeit, wird und bleibt der Misserfolg unerträglich. Schafft Ihr Kind es aber, nach einer angemessenen Zeit den Schock und die Trauer über den erlittenen Misserfolg beiseite zu schieben und frische Kräfte und neuen Mut für einen Neustart zu mobilisieren, wird die Situation durchaus erträglich. Hier sind Sie nun als Eltern gefragt. Ihre Aufgabe ist es, Ihrem Kind dabei zu helfen, dass es ins Handeln kommt. Das ist sicher keine leichte Aufgabe, zumal sich Ihr Kind in der Pubertät vielleicht manchmal selbst nur wenig zutraut und ein Misserfolg seine noch unsichere Persönlichkeit heftig erschüttern kann. Auch Coolness, mit der Ihr Kind möglicherweise z.B. schlechte Noten oder andere Niederlagen scheinbar unbeeindruckt wegsteckt, sollte Sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass es leidet. Niemand versagt freiwillig – auch coole, pubertierende Jugendliche nicht. Für den Selbstwert Ihres Kindes ist es aber unbedingt notwendig, dass es gerade nach solchen persönlichen Pleiten erfährt, dass es eben nicht für alle Zeiten dumm und unfähig ist, sondern sich aus eigener Kraft aus einer schwierigen Situation befreien kann. Von den Stoikern kann man in diesem Sinne viel zum Umgang mit Misserfolgen lernen. Landläufig haben die Stoiker den Ruf, dass sie alles „stoisch“ ertragen oder mit „stoischer Gelassenheit“ hinnehmen. Das trifft jedoch nur auf die Dinge zu, die der Mensch ohnehin nicht verändern oder beeinflussen kann. Sonst ist der Stoiker eigentlich ein Mensch der Tat: „Nicht weil es schwer ist, wagen wir’s nicht, sondern weil wir’s nicht wagen, ist es schwer“, sagt Seneca. Diese innere Einstellung benötigt Ihr Kind, um Misserfolge produktiv verdauen zu können. Nicht durch passives Abwarten, nur durch aktives Handeln kann Ihr Kind ausseinen Niederlagen lernen und daran wachsen.
Unser Rat: Verhalten Sie sich „vorbildlich“!
Diese innere Einstellung bzw. einen solchen sinnvollen Umgang mit Misserfolgen lernt Ihr Kind weniger durch verbale „Belehrungen“ als durch Ihr unmittelbares Vorbild. Reflektieren Sie Ihre eigene grundsätzliche Einstellung zu Niederlagen und Ihren Umgang mit persönlichen Misserfolgen. Beantworten Sie sich dazu folgende Fragen:
- Wie gehe ich mit meinen eigenen Misserfolgen um?
- Wie bewerte ich Misserfolge anderer Menschen?
- Wie reagiere ich auf Misserfolge meines Kindes?
Ihr Kind spürt deutlich, ob Sie im Normalfall Erfolg erwarten oder auch Misserfolge als Normalität akzeptieren. Ihr Kind beobachtet auch, wie Sie selbst mit Ihren eigenen Misserfolgen umgehen; also ob Sie selbst aktiv werden, um Ihre Situation zu verbessern, oder passiv verharren und die Schuld für Ihre Niederlage bei anderen oder den äußeren Umständen suchen.
Ändern statt ärgern: Unterstützen Sie Ihr Kind auf seiner Suche nach neuen Wegen und Zielen!
Hat Ihr Kind einen selbstkritischen Blick auf seinen Misserfolg gewagt, dann stellt sich die Frage, wie es sinnvoll damit umgehen kann. „Was muss ich verändern?“ lautet der Arbeitsauftrag! Vielleicht reicht es schon, wenn Ihr Kind z.B. sein Lernverhalten ändert und sich im Unterricht häufiger meldet, eine Zeit lang Nachhilfe nimmt und regelmäßig seine Hausaufgaben macht. Möglicherweise, je nach Umfang der Niederlagen, muss Ihr Kind aber auch eine Art „Kurskorrektur“ vornehmen, um zum angestrebten Ziel (z.B. Abitur) zu kommen. Neue Wege könnten dann etwa über die Realschule oder das Wiederholen der letzten Klasse führen. Manchmal zeigt sich aber auch, dass ein Ziel momentan nicht erreichbar ist. Dann ist es wichtig, dass Sie Ihr Kind dabei unterstützen, andere vergleichbar reizvolle Ziele zu finden (z.B. eine passende Ausbildung) statt sich ständig über den Verlust „alter“ Ziele zu ärgern.
Unser Rat: Nehmen Sie Ihrem Kind seine Arbeit nicht ab!
Ihr Kind kann seine Misserfolge allerdings nur produktiv bewältigen, wenn Sie ihm diese Arbeit nicht abnehmen. Damit ist gemeint, dass nicht Sie, sondern Ihr Kind aktiv werden muss, um seine schwierige Situation in den Griff zu bekommen. Sie dürfen Ihr Kind trösten und ihm Mut machen, Sie können es auch bei der Suche nach geeigneten Maßnahmen bzw. beim Nachdenken über ein neues Ziel unterstützen. Doch weder die Entscheidungen darüber noch die Anstrengungen auf dem Weg zum Ziel dürfen Sie ihm abnehmen. Denn nur wenn Ihr Kind aus eigener Kraft ein eigenes Ziel erreicht, kann es diesen Erfolg auch voll für sich verbuchen. Nur so kann Ihr Kind sein Selbstwertgefühl stärken und ausreichend Zuversicht tanken, um auch zukünftige Misserfolge erfolgreich zu bewältigen