Stärken Sie die Problemlösungsfähigkeit Ihres Kindes!
Teenager geben sich gerne cool, souverän und unabhängig. Doch manchmal brauchen sie noch Unterstützung von den Eltern oder anderen Bezugspersonen. Lesen Sie hier, wie Sie Ihrem Kind bei der Bewältigung seiner Probleme helfen können, ohne es zu bevormunden, und wie Sie dabei auch spielerisch und kreativ vorgehen können.
Erziehungstipps
Timo (12) kommt frustriert von der Schule und knallt genervt seinen Rucksack in die Ecke. „Ich hab keinen Bock mehr auf die blöde Schule. Die nervt nur.“ Er trottet in sein Zimmer und schmeißt die Tür hinter sich zu. Timos Mutter ist erschüttert. Bis jetzt hatte er doch nie Probleme in der Schule, was ist nur los mit ihm? In einem späteren Gespräch stellt sich heraus, dass Timo von seinen besten Freunden in letzter Zeit mehrfach geärgert wurde und nun nicht mehr weiß, ob er in dieser Clique überhaupt noch bleiben will. Andererseits hat er aber auch keine Lust, allein auf dem Schulhof herumzustehen. Der Gedanke verunsichert ihn und er weiß nicht so recht, was er nun machen soll.Lina (13) hat nur eine einzige richtig gute Freundin: Isabell. Mit Isabell würde sich Lina gerne jeden Tag treffen. Isabell aber hat noch andere Freundinnen und deswegen für Lina oft keine Zeit. Das macht Lina manchmal traurig. Soll sie sich auch mit anderen Mädchen verabreden, obwohl sie dazu keine richtige Lust hat? Linas Eltern machen sich Sorgen. Sie fragen sich, ob Lina sich von Isabell zu abhängig macht und ob das noch normal ist, dass sie nur eine einzige Freundin hat. Alle drei sind ratlos.
Ein Problem ist eine Aufgabe, an deren Bewältigung man reifen kann
Timo und Lina haben offensichtlich ein Problem. Ein Problem ist laut Definition eine Aufgabe, deren Lösung mit Schwierigkeiten verbunden ist. Es kann sich dabei um tatsächliche, also faktische Schwierigkeiten handeln oder um innere bzw. psychisch bedingte Widerstände. Ein Problem erfolgreich zu lösen, heißt also, diese Schwierigkeiten zu bewältigen, um aus einer als unbefriedigend erlebten Situation eine befriedigendere Situation zu machen. Manchmal muss man Hindernisse überwinden, mitunter aber auch umgehen, um zu einer guten Lösung zu finden.
Immer jedoch geht es darum, eine möglichst positive Veränderung herbeizuführen. Manchmal jedoch lässt sich ein Problem weder schnell noch im Alleingang lösen – dann muss man lernen, möglichst gut damit zu leben. Lina wird beispielsweise Isabell nicht dahin – gehend verändern können, dass sie nur noch Zeit mit ihr verbringt. Linas Wunsch, Isabell jeden Tag zu treffen, wird also kaum in Erfüllung gehen können.
Wenn Ihr Kind ein Problem hat, sollten Sie folgende Punkte beherzigen
1. Nehmen Sie das Problem ernst – ohne es herunterzuspielen oder zu dramatisieren
Was der eine Mensch als großes Problem empfindet, kann für einen anderen eine belanglose Kleinigkeit darstellen. Wenn Ihr Teenager etwas als schwierig und belastend empfindet, was Sie selbst nicht als problematisch erachten, nehmen Sie seine Gefühle trotzdem ernst. Spielen Sie sie nicht herunter nach dem Motto: „Ach, das geht schon wieder vorbei“ oder „Das ist doch gar nicht so schlimm“. Vermeiden Sie aber auch, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen und Schwierigkeiten aufzubauschen oder hochzuspielen. Beides ist bei der Lösung von Problemen nicht sonderlich hilfreich.
2. Lassen Sie Ihr Kind das Problem selbst lösen, soweit es irgendwie geht – und akzeptieren Sie die Art, wie Ihr Kind das Problem löst
Wie jemand mit einem Problem umgeht, hängt von seinem Charakter und seinen bisherigen Lebenserfahrungen ab. Manche Teenager gehen Probleme schnell, direkt und offensiv an, manche warten erst eine Weile, denken viel darüber nach und lassen sich Zeit, bevor sie etwas unternehmen. Beides hat Vor- und Nachteile. Wenn Ihr Kind mit seiner persönlichen Problemlösungs-Strategie gut fährt, brauchen Sie nicht zu intervenieren. Würdigen Sie dann seine Fähigkeiten angemessen: „Ich finde es toll, wie du dieses Problem gelöst hast!“ Umgekehrt sollten Sie Ihr Kind nicht kritisieren, wenn es ein Problem auf andere Weise gelöst hat, als Sie das gut gefunden hätten. Auch hier gilt: Ihr Kind ist noch jung und muss verschiedene Verhaltensweisen ausprobieren können, um daraus zu lernen: für das nächste Mal.
3. Greifen Sie erst ein, wenn es wirklich nötig ist
Ihr helfender Einsatz ist dann gefragt,
- wenn Ihr Kind Sie um Hilfe bittet oder um einen Rat fragt,
- wenn Ihr Kind Sie indirekt (nonverbal) dazu auffordert, etwa durch entsprechende Bemerkungen oder auffallend leidendes Verhalten,
- wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Kind unter starkem Leidensdruck steht und ohne Hilfe nicht mehr weiterkommt. Sprechen Sie Ihr Kind in diesem Fall auf das Problem an, aber bleiben Sie dabei bitte behutsam.
4. Bieten Sie Ihrem Kind wenn nötig Hilfestellung im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe an
Versuchen Sie nicht, das Problem Ihres Kindes selbst zu lösen, etwa indem Sie den betroffenen Freund anrufen, sich irgendwo beschweren oder ihm konkrete Ratschläge geben, wie er/sie sich zu verhalten hätte. Damit nehmen Sie Ihrem Kind die Chance zu lernen, seine Angelegenheiten selbst zu regeln und seine Interessen zu vertreten.
5. Coachen Sie Ihr Kind, statt ihm Ratschläge zu erteilen
Sie helfen Ihrem Kind am besten, seine Probleme selbst zu lösen, indem Sie ihm als eine Art „Coach“ zur Seite stehen, wenn Sie ihm also dabei helfen,
- das Problem zu erkennen und zu benennen,
- das Problem zu fokussieren,
- Überlegungen anzustellen, wie das Problem gelöst werden könnte.
Gemeinsam Probleme lösen in 5 Schritten
Schritt 1: Überlegen Sie genau, um wessen Problem es sich handelt
Hat wirklich das Kind ein Problem? Oder sehen Sie als besorgtes Elternteil zwar ein Problem, Ihr Kind empfindet es aber gar nicht als solches? Hat Lina aus unserem Beispiel tatsächlich starken Leidensdruck, oder sind es eher die Eltern, die Lina das Gefühl vermitteln, dass die Situation nicht erfreulich ist? Findet Lina es schlimm, manchmal traurig zu sein, oder kann sie damit eigentlich gut leben? All das muss sorgfältig geprüft werden. Manchmal können Eltern „gefühlte Ungerechtigkeiten“ schlechter ertragen als die betroffenen Kinder selbst.
Schritt 2: Analysieren Sie gemeinsam die Situation bzw. das Problem
Wenn das Kind tatsächlich ein Problem hat und das auch als solches empfindet, helfen Sie ihm in einem ruhigen Gespräch, das Problem einzukreisen, also zu fokussieren. Dazu sind folgende Fragen hilfreich:
- „Was ärgert/belastet/beschäftigt dich denn am meisten?“
- „Hattest du solchen Ärger/Kummer schon einmal?“
- „Was genau ist jetzt für dich das Schwierigste daran?“
Durch solche (oder ähnliche) Fragen helfen Sie Ihrem Kind, das Problem zu erkennen, zu benennen und seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Sie stärken damit sowohl seine analytischen, kognitiven Fähigkeiten als auch seine Selbstreflexivität. Beides sind sehr wichtige Fähigkeiten, um Probleme auch im späteren Leben erfolgreich meistern zu können.
Schritt 3: Besprechen Sie die mit dem Problem verbundenen Gefühle und gehen Sie feinfühlig darauf ein
Ein Problem kann man selten ausschließlich auf der sachlichen Ebene besprechen. Immer geht es auch um die damit verbundenen Gefühle, die Sie unbedingt ernst nehmen sollten. Fragen Sie Ihr Kind also explizit nach seinen Empfindungen. Nehmen Sie dazu ruhig einen Zettel nebst Stift zur Hand, und schreiben Sie die einzelnen Gefühle auf. In Timos Fall könnte das sein:
- „Ich bin total enttäuscht von meinen Freunden.“
- „Ich habe Angst davor, gar keinen Freund mehr zu haben, wenn ich aus dieser Clique aussteige.“
- „Ich bin traurig, aber auch so wütend, weil ich mich ungerecht behandelt fühle.“
Gehen Sie auf diese Gefühle ein, und zeigen Sie Verständnis. Für jemanden, der traurig oder ratlos ist und vor einem Problem steht, ist es oft sehr hilfreich, sich verstanden zu fühlen. Aus diesem Gefühl heraus entsteht dann neues Selbstbewusstsein, um das Problem anzupacken und seine Interessen zu vertreten. Sich verstanden zu fühlen macht Mut!
Schritt 4: Klären Sie das Ziel
Fragen Sie Ihr Kind: „Was ist dein Ziel, was willst du erreichen?“ Dazu ist es wichtig, nicht nur das Problem gelöst haben zu wollen, sondern ein inneres positives und realistisches Szenario zu entwickeln. „Ich will mir darüber keine Gedanken mehr machen müssen“ ist also eher eine Vermeidungs- denn eine Lösungsstrategie. Timos Ziel könnte z. B. sein: „Ich möchte meinen Freunden sagen, wie gemein ich das fand, was sie gemacht haben, und dann sehen, ob wir weiterhin Freunde bleiben können!“ Linas Ziel könnte etwa sein: „Ich will versuchen, mich auch mal mit anderen Mädchen zu treffen. Vielleicht ist es ja doch schöner, als ich denke!“
Schritt 5: Legen Sie gemeinsam eine erste „Maßnahme“ fest
Hierfür sind folgende Überlegungen hilfreich:
- „Was könntest du tun, um das Ziel zu erreichen?“
- „Was könnte der erste Schritt in diese Richtung sein?“
Timo könnte z. B. seinen Freund anrufen und ihm sagen, dass er sich über ihn geärgert hat, oder ihm eine entsprechende Email schreiben. Lina könnte sich beispielsweise überlegen, welches Mädchen sie probehalber einmal einladen möchte. Wenn Sie gemeinsam mit Ihrem Kind diese fünf Schritte gegangen sind, warten Sie erst mal ab, was passiert. Fragen Sie bei Gelegenheit nach, wie die Situation sich entwickelt hat.
Zeigen Sie sich weiterhin interessiert, aber möglichst wenig kontrollierend. Damit signalisieren Sie, dass Sie Ihrem Kind die Lösung seines Problems weitgehend zutrauen.
- Mein Tipp: Respektieren Sie die Entscheidung und Ideen Ihres Kindes, auch wenn Sie nicht ganz überzeugt von deren Effektivität sind. Natürlich können Sie Ihre Meinung sagen, Sie sollten aber dabei vorsichtig und respektvoll sein. Sätze wie „Das ist aber eine blöde Idee, das musst du ganz anders anpacken“ sind nicht sehr konstruktiv. Besser ist es, Fragen zu möglichen Handlungsalternativen zu stellen: „Was könntest du sonst tun, falls dieser Plan doch nicht aufgehen sollte? Hast du noch eine andere Idee?“
Probleme mal ganz anders angehen:
10 kreative Fragen, um auf neue Gedanken zu kommen
Probleme zu lösen muss nicht immer anstrengend und nervtötend sein. Manchmal bringen uns solche Herausforderungen auf ganz neue Gedanken – sie können von daher auch belebend und inspirierend sein. Gehen Sie das Problem Ihres Kindes doch mal spielerisch an. Stellen Sie ihm dafür eine oder mehrere der folgenden Fragen:
- „Was wäre, wenn sich das Problem morgen früh in Luft aufgelöst hätte?
Wie würdest du dich fühlen, was würdest du als Erstes tun?“ - „Was müsstest du tun, damit das Problem noch schlimmer wird?“
- „Was könnte ich tun, damit das Problem noch schlimmer wird?“
- „Was würdest du einem Freund raten, der dieses Problem hätte?“
- „Wenn das Problem sprechen könnte, was würde es dir sagen?“
- „Was könnte der positive Nutzen dieses Problems sein?“
- „Wenn eine Fee käme und du drei Wünsche frei hättest, was würdest du dir wünschen?“
- „Was wirst du in zehn Jahren rückblickend über deine jetzige Lebenssituation sagen?“
- „Hat irgendjemand einen Vorteil davon, dass du dieses Problem jetzt hast?“
- „Wenn dein Problem ein Bild oder eine Skulptur wäre, wie würde es aussehen?
Hast du Lust, es aufzumalen oder aus Ton zu formen?“
Besonders fantasievolle Jugendliche können mit solchen spielerischen und kreativen Ansätzen mehr anfangen als mit dem logisch-analytischen Verfahren.
- Mein Tipp: Lassen Sie Probleme auch mal "stehen"
Wenn Probleme sich offensichtlich nicht aus eigener Kraft lösen lassen, muss man lernen, sie „stehen zu lassen“ bzw. die Lösung vorerst zu verschieben. "Wir können daran jetzt nicht ändern, so ist es zurzeit halt" ist manchmal ein sehr hilfreicher Satz. Jugendliche müssen ja auch lernen, dass nicht immer alles so laufen kann, wie sie es sich wünschen. Phasenweise unbefriedigende Situationen aushalten zu können und Widersprüche zu akzeptieren, sind auch wichtige Fähigkeiten, die Ihr Kind lernen muss.