Was Sie tun können, wenn Ihr Kind sich verschließt
„Ich komme nicht mehr an mein Kind heran! Blockade pur!“ So oder so ähnlich empfinden viele Eltern pubertierender Jugendlicher zumindest eine Zeit lang das Verhältnis zu ihrem Kind. Bis vor einiger Zeit war noch alles gut, doch auf einmal baut das Kind eine Mauer um sich herum, sucht ständig Streit, zieht sich zurück oder verweigert jeglichen normalen Beziehungskontakt.
Wenn sich Kinder isolieren
Anhand von drei Fallbeispielen möchte ich Ihnen zeigen, wie Sie sich als Eltern richtig verhalten, wenn Ihr Kind sich Ihnen immer mehr verschließt und all Ihre Bemühungen in einer Sackgasse enden.
Patrick: "Mein Opa hört zu und fällt nicht direkt um"
Beispiel 1: Patrick, 16 Jahre
Sie mache sich Sorgen, erzählt mir die Mutter von Patrick. Ihr 16-jähriger Sohn wäre in einer Clique. „Die sind zwar schon in Ordnung. Aber am Samstag Abend, da ziehen die um den Block, um hinterher in die Disco zu gehen!“ Sie schüttelt den Kopf. Vorher wäre „Vorglühen“ angesagt: „Also schon mal die eine oder andere Flasche Bier. Und so gehen sie dann leicht bedröhnt auf die Piste!“ Sie könne das nicht verstehen. Auf meine Frage, was ihr Mann denn dazu sagen würde, antwortet sie schnell und wie aus der Pistole geschossen:
„Der sagt nichts. Er meint nur, ich solle doch aus dieser Sache kein Drama machen, das würde sich schon geben, Patrick würde schon noch vernünftig werden.“ Sie sieht unzufrieden aus. Also, sie wisse wirklich nicht, ob man mit dieser Angelegenheit so leichtfertig umgehen kann. Als ich Patrick frage, wie er denn die Angelegenheit einschätzen würde, lächelt er: „Meine Mutter, die übertreibt völlig.“
Natürlich würde er schon einmal einen über den Durst trinken, „sich die Kante geben“. Er blickt mich ernst an: „Aber nur am Wochenende. Niemals unter der Woche!“ Das wäre für ihn und seine Kumpel völlig klar. „Außerdem bin ich am Freitag Abend oder Samstag Nacht immer pünktlich zu Hause. Wenn meine Mutter sagt, ‚du bist um zwölf hier‘, dann bin ich das.“ Die könne sich auf ihn verlassen. Wie er das Verhalten seines Vaters einschätzt? „Ach, der hält sich aus allem raus. Der ist konfliktscheu, lässt sich durch nichts, aber rein gar nichts provozieren. Da ist mir das Generve meiner Mutter schon lieber!“
Ob er denn jemanden habe, mit dem er sich austauschen könne, bin ich neugierig. Er grinst: „Klar!“ Und mit wem? „Also zunächst mit meinen Jungs.“ Patrick stockt kurz: „Und dann natürlich mit Oma und Opa!“ Vor allem mit seinem Großvater, mit dem könne er gut reden: „Opa hört zu und fällt nicht sofort um, wenn ich von gefährlichen Situationen erzähle.“ Der würde ihn dann nicht sofort zutexten: „Irgendwie vertraut der mir, weil der früher wohl auch so war wie ich heute.“
Lisa: “Meine Eltern wollen ja alles richtig machen
Lisa: "Meine Eltern wollen ja alles richtig machen"
Beispiel 2: Lisa, 13 Jahre
Als Lisa das hört, nickt sie und greift in das Gespräch ein. Bei ihr wären es nicht die Großeltern, weil die zu weit weg wohnen würden: „Bei mir ist das meine Patentante, mit der ich alles besprechen kann! Aber das war auch eine Absprache zwischen ihr und meiner Mutter!“ Und dann erzählt sie. Als sie so 13 gewesen wäre, „da war ich schon ziemlich schlimm! Ehrlich!“ Sie habe vieles ausprobiert, „ja, auch um zu provozieren. Meine Eltern wollten ja alles richtig machen, so perfekt sein. Ich hab das ätzend gefunden!“ Sie habe dann schon mal heimlich ein Bier getrunken, habe sich am Unterarm und am Unterschenkel geritzt und dann auch mit Elias „gepennt, bin einfach eine Nacht bei ihm geblieben. Meine Eltern haben schier durchgedreht!“
Als ich später Lisas Eltern dazu befrage, nickt die Mutter. Es wäre schrecklich gewesen, „fürchterlich. Diese ständigen Auseinandersetzungen, diese nervenzerfetzenden Reibereien“. Lisas Vater schaut betroffen drein: „Wir haben keinen Draht mehr zueinander gefunden. Lisa hat uns abgelehnt, wollte uns provozieren. Und wir haben uns das gefallen lassen.“ Dann habe sie, so greift Lisas Mutter in das Gespräch ein, gemerkt, „wie unsere Tochter mit ihrer Patentante Rita über alles reden kann. Ich habe dann mit Rita darüber gesprochen, ob sie nicht die Vertrauensperson für Lisa werden könne. Sie habe spontan zugestimmt, Lisa fand das toll, hatte aber eine Bedingung: Rita ist Geheimnisträgerin und nicht Geheimagentin in eurem Auftrag“.
Wie es ihr damit emotional gegangen wäre, möchte ich wissen: „Am Anfang nicht so gut, weil ich mich als Versagerin empfand. Doch als ich merkte, die Situation entspannt sich, ich finde wieder Kontakt zu meinem Kind, da wurde ich ruhiger.“ Sie schmunzelt: „Manchmal gibt es Phasen, da passen zwei Menschen nicht zusammen. Aber das muss man erst mal respektieren!“
Arthur: “Man kann sich auch selber Hilfe holen!
Arthur: "Man kann sich auch selber Hilfe holen!"
Beispiel 3: Arthur, 15 Jahre
Sie habe ja so Recht, greift Mareike Schulz, die Freundin von Lisas Mutter in das Gespräch ein. „Als unser Arthur so 15 war, da wurde der plötzlich ganz merkwürdig. So kannte ich meinen Sohn nicht. Er entwickelte Ängste, zog sich in sein Zimmer zurück!“ Da habe er dann stundenlang gelegen, habe an die Decke gestarrt. „Schwermütig war der“, fährt Arthurs Vater fort. Und mit einem Mal kamen dann diese Selbstmordgedanken, er wolle nicht mehr leben, am besten er mache Schluss: „Das hat uns völlig verunsichert. Freunde meinten, wir sollten das nicht so ernst nehmen, das habe mit der Pubertät zu tun.“
Aber sie finde eine solche Haltung sehr oberflächlich, meint Mareike Schulz. Dann habe ihr Mann die Idee gehabt, zu einer Erziehungsberatung zu gehen, „um uns Hilfe zu holen“. Die Psychologin hat uns sehr geholfen. „Wir hatten drei Gespräche, die uns bestärkt haben.“ „Aber auch sicherer gemacht in unserer Haltung zu uns und zu Arthur“, fährt der Vater fort. „Als Arthur davon hörte, dass wir uns Hilfe geholt haben, weil wir nicht mehr weiter wussten, und er merkte, dass uns diese Gespräche gut taten, fragte er nach der Adresse, rief dort an, machte eigenständig einen Termin aus!“
Er wäre ein paar Mal dorthin gegangen, er wurde allmählich stabiler, sein Selbstbewusstsein wäre gewachsen, sein Urvertrauen zurückgekommen. Also sie, so resümiert die Mutter, können nur sagen: „Wichtig ist, dass man weiß, dass man nicht alles kann, und wichtig ist, dass man sich Hilfe holt, wenn man nicht weiter weiß oder an das Kind nicht rankommt!“