Pubertät: Psychische Probleme bei Teenagern rechtzeitig erkennen

Lesen Sie in diesem Beitrag, welches die häufigsten psychischen Störungen im Jugendalter sind, wie sie entstehen und wie Sie sie erkennen. Und, natürlich, was Sie tun sollten, wenn Ihr Kind psychische Probleme zu haben scheint. 

Inhaltsverzeichnis

Körperliche & psychische Entwicklung

Teenager befinden sich in einer sehr bedeutsamen Übergangphase. Sie haben viele verschiedene Entwicklungsaufgaben zu bewältigen, ihr Gehirn ist ist in einem gigantischen Umbauprozess begriffen. Deshalb ist die jugendliche Psyche naturgemäß besonders anfällig für Irritationen. Diese können sich in vergleichsweise harmlosen, etwa extremen oder widersprüchlichen Verhaltensweisen äußern, sich aber auch zu psychischen Störungen entwickeln.

Eine psychische Störung besteht laut Definition, wenn die psychischen Funktionen eines Menschen so beeinträchtigt sind, dass er ein „normales“ Leben kaum noch führen kann. In der Regel liegt ein starker Leidensdruck bei dem Betroffenen vor – er kann bei bestimmten psychischen Erkrankungen aber zunächst fehlen (etwa bei der Manie). Bei einem psychisch Erkrankten sind vor allem seine Wahrnehmung, die Denkprozesse, seine Gefühle sowie sein Handeln so stark verändert, dass sie von dem, was wir gemeinhin für „normal“ halten, deutlich abweichen. Da die Grenzen hier fließend verlaufen, ist eine Diagnosestellung oft schwierig. Vor allem bei Jugendlichen müssen Diagnosen mit großer Vorsicht gestellt werden, da viele „Auffälligkeiten“ als Entwicklungskrisen in der Pubertät bewertet werden müssen, die sich oft wieder auswachsen. Im so genannten ICD-10 (International Classification of Mental and Behavioural Disorders) ist genau festgelegt, wann man welche psychische Störung diagnostizieren kann. Typische Anzeichen für psychische Störungen sind:

  • Bewusstseins-, Orientierungs- und Aufmerksamkeitsstörungen (Zerstreutheit, Mangel an Konzentrationsfähigkeit, Desorientierung)
  • Wahrnehmungsstörungen (Halluzinationen)
  • Gedächtnisstörungen (Störungen des Kurz- oder Langzeitgedächtnisses)
  • Denkstörungen (verlangsamtes Denken, ständiges Grübeln)
  • Wahnvorstellungen (Fehlinterpretationen von real Vorhandenem)
  • Ich-Störungen (Probleme, die Grenze zwischen sich und der Umwelt wahrzunehmen; sich fremdbestimmt oder ferngesteuert fühlen)
  • Störungen der Affekte, Gefühle (stark veränderte Gemütslage, entweder dauerhaft niedergeschlagen oder übersteigerte Fröhlichkeit)
  • Antriebsstörungen (reduziertes oder übersteigertes Interesse an Aktivitäten und Menschen)
  • Angststörungen (unangemessene Angstzustände, Panikattacken etc.)
  • Zwangsstörungen („sinnlose“ ritualisierte Verhaltensweisen, zwanghaft wiederkehrende Gedanken)

Wie psychische Störungen bei Teenagern entstehen

Psychische Störungen sind in der Regel multifaktoriell bedingt. Das heißt, dass mehrere Faktoren zusammenkommen, bevor jemand psychisch erkrankt. Als wichtige Faktoren gelten:

  • genetische Bedingungen (Veranlagung)
  • biologische Faktoren (z. B. chemisch-biologische Hirnprozesse, Hormone)
  • soziokulturelle Faktoren (z. B. kulturelle Bedingungen, Status)
  • psychosoziale Faktoren (z. B. familiäre Situation, gesellschaftliches Leben, Freunde)
  • Persönlichkeitsfaktoren (z. B. Selbstwertgefühl, individuelle Belastungsfähigkeit, Frustrationstoleranz)

Pubertät – Warum jemand psychisch erkrankt: Das „Vulnerabilitäts-Stress-Modell“

Zur Erklärung, wie psychische Erkrankungen entstehen, zieht man in der klinischen Psychiatrie das so genannte Vulnerabilitäts-Stress-Modell heran (Vulnerabilität = Verletzbarkeit). Es besagt, dass eine psychische Störung dann eintritt, wenn

  • ein Mensch eine entsprechende Disposition mitbringt, also seelisch besonders leicht „verletzbar“ ist,
  • in aktueller Stressor vorliegt, etwa ein besonders frustrierendes Erlebnis, der Verlust einer geliebten Person oder eine akute Belastungssituation, die den Betroffenen überfordert,
  • der Betroffene zu diesem Zeitpunkt nicht über ausreichende seelische Bewältigungsstrategien (Ressourcen) verfügt, um das aktuelle Geschehen verarbeiten zu können.

Von Angst bis Zwang: Psychische Probleme bei Jugendlichen gehen oft vorbei

Die meisten psychischen Auffälligkeiten im Jugendalter sind vorübergehend und gut behandelbar. In nur wenigen Fällen wird eine medikamentöse Behandlung notwendig sein, oft hilft schon eine passende Jugendpsychotherapie. Bei einigen psychischen Störungen ist ein Klinikaufenthalt allerdings unumgänglich, etwa bei stark ausgeprägten Psychosen, schweren Depressionen, massiven Essstörungen oder manischen Zuständen.

Es ist durchaus alterstypisch, dass Jugendliche sich hin und wieder zurückziehen, schlechte Stimmung haben oder sich nicht gut fühlen. Das muss nicht zwangsläufig krankhaft sein und ist meistens kein Grund zur Sorge. Bleiben Sie mit Ihrem Teenager auf jeden Fall im Gespräch: So können Sie gut einschätzen, ob Ihr Kind gerade nur etwas „down“ ist oder ob es ihm wirklich dauerhaft nicht gutgeht.