Pubertärer Leichtsinn: Wie schütze ich mein Kind vor Alkohol?

Spätestens wenn Ihr Kind in die Pubertät kommt, wird es mit dem Thema „Alkohol“ konfrontiert. Doch wie Ihr Kind nun mit der neuen „Verlockung“ umgeht, ob es Nein sagen kann oder zum „Komasäufer“ wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab.  

Inhaltsverzeichnis

Kinder vor Alkohol schützen

Alkohol ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Beim Essen, auf Partys, nach der Arbeit: Anlässe zum Konsumieren von Alkohol gibt es zahlreiche. Selbst die ganze Nacht hindurch können Sie an Tankstellen Alkohol kaufen, für Autofahrer ein eher absurdes Angebot. Die Gefahr, dass Jugendliche schon früh zur Flasche greifen, liegt also nahe.

Alkohol- und Drogensucht von Pubertierenden: Fallbeispiel Tim

Tim, 18 Jahre, ist über den Alkohol in die Drogenszene gerutscht. Er ist eher schüchtern, zurückgezogen und hat Kontaktschwierigkeiten. Diese wurden durch die häufigen Umzüge der Eltern noch verschärft. Tim ist äußerlich eher klein, er neigt zum Stottern, vor allem wenn er nervös ist. Nur wenn er ein paar Biere getrunken hat, wird er ruhiger, fühlt sich stark. Er achtet sehr auf sein Aussehen, körperbetonte Kleidung, geht ins Fitnessstudio, weil er bei Freunden gut ankommen will. Er besucht das Gymnasium und zeichnet sich durch gute Leistungen aus, die er durch viel Fleiß erreicht.

Der Vater: „Tim macht das gut. Er soll es besser haben als ich. Was er jetzt lernt, braucht er später nicht zu lernen. Okay, er macht’s, wie gesagt, schon gut, aber zu viel Lob baut ihn nicht auf. Dann macht er schlapp. Er muss schon eine starke Hand spüren!“

Dazu Tim: „Wenn ich das höre. Er will doch nur mit mir angeben. Wenn ich in Mathe eine Drei habe, meint er, im letzten Jahr hätte ich eine Zwei gehabt. Der sieht immer nur das Schlechte. Er stellt sich auf ein Podest, hält sich für den Größten und hält Reden. Ich heiße Tim, aber der hat meinen Vornamen vergessen. Ich heiße für ihn: „Mein Sohn ist etwas Besonderes!“ Und dann fährt Tim fort: „Mit Alkohol ließ sich das alles aushalten. Zuletzt gab’s dann allerdings den Mix aus Alkohol, Medikamenten, Hasch und auch schon Heroin …“

Das Beispiel von Tim verdeutlicht bereits wichtige Gründe, die Jugendliche zu Alkohol und anderen Drogen greifen lassen:

  • Die Störung des Selbstwertgefühls ist hier ein wesentlicher Faktor. Sucht kann man auch als eine „Krankheit des Selbstwertgefühls“ bezeichnen. Hinzu kommt Tims starke Abhängigkeit von ständiger Anerkennung. Die leiseste Kritik erzeugt bei ihm Ohnmacht und Hilflosigkeit.
  • Bei Tim herrscht das Gefühl der Fremdbestimmung vor. Er soll Leistungen erbringen, um vorgeführt bzw. für eine imaginäre Zukunft fit gemacht zu werden. Weil er keine Annahme im Hier und Jetzt findet, fehlt ihm eine konkrete Lebensperspektive. Alles erscheint ihm weit weg.
  • Tim hat keine Fähigkeit, mit Krisen produktiv umzugehen. Er kann Unlustgefühle nicht über längere Zeit aushalten. Und es zeigt sich: Ein guter Schulabschluss ist eben kein Garant für eine Karriere. Das spürt er. Tim wird ein produktiver Umgang mit Krisen nicht gestattet. Da ihm solche Erfolgserlebnisse vorenthalten werden, verlegt er sie in den Konsum, der als Ersatz für fehlende Beziehungen, als „Lösung“ für Krisen dient.
  • Wie andere Drogen fördert Alkohol das Vermeidungsverhalten und legt Fluchttendenzen nahe. Der Drogenkonsum wird immer dann gefährlich, wenn ihm eine Ersatz- und Verdrängungsfunktion zukommt, wenn Sucht mit Flucht aus der Wirklichkeit gleichgesetzt werden kann.
  • Tims Beispiel zeigt auch: Alkohol kann der Einstieg in weiteren Drogenkonsum sein.

Pubertäres Rauschtrinken und Komasaufen: Fallbeispiel Patrick

Er habe sich drei Jahre regelmäßig in die Bewusstlosigkeit getrunken, meint der 19-jährige Patrick. „Aber seit etwa zwei Jahren ist damit Schluss. Schon mal zwei oder drei Bier, vielleicht auch mal Wein. Aber keine harten Sachen mehr.“ Er bemühe sich, alles unter Kontrolle zu haben. Denn das wäre das Schlimmste gewesen, dieser komplette Kontrollverlust beim Komasaufen. „Da spürst du nichts mehr, torkelst nur noch rum.“ Er habe ein schreckliches Erlebnis gehabt, sagt er mit ernster Miene, „und von da an war Schluss mit der Kampftrinkerei!“

Seine Augen verengen sich, so als sähe er die Situation von damals wieder auftauchen. Sie hätten im Park gefeiert, wären alle völlig betrunken gewesen. „Ich bin dann eine Treppe hinuntergestürzt. Meine Kumpels haben das nicht gemerkt. Die haben sich irgendwann verdrückt, haben gar nicht gemerkt, dass ich fehle, so besoffen waren die.“ Er habe dann da gelegen, „in meiner Scheiße, in meiner Kotze.“ Dann habe ihn ein Ehepaar, das zufällig nachts durch den Park ging, gefunden, völlig unterkühlt und mit gebrochenem Arm. „Mir brauchte danach keiner mehr etwas über die Folgen des Saufens zu erklären. Ich war geheilt. Ich habe mich so was von geschämt dafür, wie ich ausgesehen und gestunken habe." Seine Stimme wird leise: „Als ich dann aufgewacht bin, hatte ich eine Windel zwischen den Beinen, weil ich nichts mehr halten konnte.“ Das sei absolut entwürdigend, aber auch sehr hilfreich gewesen.

Wie Patricks Schilderung zeigt, versteht man unter Rausch- oder Kampftrinken nicht einen leichten Schwips, sondern exzessiven Alkoholkonsum, der bis zur Bewusstlosigkeit führen kann.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von 2011 nimmt die Zahl derjenigen Heranwachsenden, die zu einer stationären Behandlung wegen Alkoholmissbrauchs in eine Klinik kommen, zu. Allein zwischen 2002 und 2009 hat sich die Zahl mehr als verdoppelt: 2009 waren über 26.000 Kinder und Jugendliche zur Behandlung in einer Klinik.

Alkoholprävention bei Teenagern: Warum betrinken sich immer mehr Jugendliche maßlos?

Die Ursachen für diese Zunahme sind eher komplex und nicht einfach zu erklären:

  • Sicher hat eine höhere öffentliche Sensibilität zu genauerer Beobachtung geführt und damit auch die Dringlichkeit von Klinikbehandlungen nahegelegt. Man schaut eben nicht mehr weg, wenn man volltrunkene Heranwachsende sieht.
  • Alkoholkonsum und dessen Folgen werden nicht mehr verharmlost. Denn unbestritten ist, dass Kinder und Jugendlich lebenszeitlich früher anfangen zu trinken und sich zu betrinken. Im Unterschied zu früher haben viele Heranwachsende das Gefühl dafür verloren, wann sie mit dem Trinken aufhören sollten, und überfordern bzw. schädigen so ihren Körper.
  • Eine herausragende Rolle spielen Freunde und der Gruppendruck beim Kampftrinken. Man will in Stimmung kommen, stachelt sich an. Der Alkoholkonsum eint, man fühlt sich toll, scheint unbesiegbar, vergisst im Konsens der Gruppe das Gefühl von Gefahr. Das im Umbau befindliche Gehirn des Heranwachsenden will Spaß und unmittelbare Bedürfnisbefriedigung. Verweise auf spätere Schädigungen verhallen häufig ungehört und werden gern als Belästigung oder Belehrung abgetan.

Alkoholsucht bei Kindern in der Pubertät: Verdrängung und Ahnungslosigkeit

Auffällig ist, dass der Alkoholkonsum insgesamt abnimmt. Hier zeigen sich positive Folgen von Präventionsmaßnahmen – und zugleich ihre blinden Flecken. Insgesamt trinken immer weniger Heranwachsende Alkohol, diese wenigen aber immer mehr! Auf diese Gruppe der Kampftrinker und Suchtgefährdeten müssen die präventiven Maßnahmen in Zukunft gezielt ausgerichtet werden. Denn unterhält man sich mit Heranwachsenden über das Rauschtrinken und dessen mögliche Folgen, wird eine erschreckende Ahnungslosigkeit sichtbar.

Heranwachsende wissen wenig über die Auswirkungen des „Filmrisses“, z.B. häufig unterkühlt zu werden, im Erbrochenen zu liegen und daran zu ersticken, sich komplett zu entleeren und in seinen Exkrementen zu liegen. Zudem werden gesundheitliche Schädigungen geringgeschätzt oder ganz verdrängt. Die Leber wächst eben nicht mit ihren Aufgaben, schon gar nicht in jüngeren Jahren. Dennoch: Es wäre zu simpel, Präventionsmaßnahmen nur auf staatliche Institutionen zu beschränken. Das Elternhaus kann entscheidend mithelfen, den übermäßigen Alkoholkonsum der eigenen Kinder wenn schon nicht zu verhindern, so doch einzugrenzen.

Pubertierende und Alkohol: So schützen Sie Ihr Kind!

So verhalten Sie sich richtig Folgende Grundsätze sollten Sie als Eltern beherzigen:
  • Verzichten Sie auf Schuldzuweisungen als Präventionsmaßnahme. Verallgemeinerungen und Übertreibungen machen hilflos, schaffen Blockaden und schädigen die Beziehung zu Ihrem Kind. Die Auseinandersetzung mit Drogen ist ein lebenslanger Prozess.
  • Begleiten Sie den gesetzlich erlaubten Weg des Alkoholkonsum. Spätestens ab dem 16. Lebensjahr erreichen Sie durch ein völliges Verbot oft das Gegenteil. Üben Sie mit Ihrem Kind besser den bewussten Umgang mit Alkohol.
  • Stellen Sie Regeln auf und setzen Sie Grenzen, um Ihr Kind vor Alkohol zu schützen. Gesetze unterstützen Ihre Erziehungsarbeit, Sie ersetzen Sie allerdings nicht. Ihr Kind muss wissen, wie häufig und in welchem Umfang Sie den Alkoholkonsum Ihres Kindes billigen bzw. welche Konsequenzen es zu erwarten hat, wenn es diese Grenzen missachtet.
  • Seien Sie Vorbild. Was kann Ihr Kind von Ihnen lernen? Wann trinken Sie Alkohol? Zu besonderen Anlässen, regelmäßig jeden Abend, als Seelentröster?
  • Schicken Sie Ihr Kind nicht los, um Alkohol zu kaufen. Die Hemmschwelle, auch Alkohol für den eigenen Bedarf zu kaufen, sinkt.
  • Melden Sie Läden, die Alkohol an Minderjährige abgeben. Signalisieren Sie Ihrem Kind auf diese Weise Ihr Verantwortungsbewusstsein und dass echte Gefahren mit zu frühem Alkoholkonsum verbunden sind.
  • Lassen Sie Ihr Kind an Projekten teilnehmen, die über die Gefahren von Alkohol informieren. Je früher es durch solche Präventionsmaßnahmen über die Gefahren con Alkohol aufgeklärt wird, umso besser.
  • Kontaktieren Sie eine Beratungsstelle. Wenn Ihr Kind in der Pubertät häufig an regelrechten Besäufnissen teilnimmt oder regelmäßig Alkohol trinkt, um Stress abzubauen, sollten Sie eine solche Beratungsstelle anrufen oder aufsuchen.

Präventionsmaßnahme: Stärken Sie die Persönlichkeit Ihres heranwachsenden Kindes!

Das ist meiner Meinung nach die beste Form der Suchtprävention. Dazu gehört unbedingt …

  • Ihre elterliche Präsenz und Anteilnahme an der Entwicklung Ihres jugendlichen Kindes. Nicht selten erleben Polizisten und Mitarbeiter des Jugendamtes, dass Vater und Mutter nicht anwesend sind, wenn der volltrunkene Jugendliche zu Hause abgegeben wird. Oder sie sind nicht erreichbar, wenn das Klinikpersonal bei den Eltern anruft. Erzieherische und emotionale Gleichgültigkeit können die Flucht in den Alkoholkonsum verstärken.
  • Ihre Erziehung zu einem produktiven Umgang mit Frust und Krisen. So werden Eigenaktivitäten an die Stelle des Konsums gesetzt, und so stärken Sie die Konfliktfähigkeit. Ihr Kind kann dann Nein sagen, wenn es unter Gruppendruck gerät.

Und noch ein letzter Tipp: Ein ernstes Gespräch über Alkohol können Sie auch an eine dem Jugendlichen vertraute Person delegieren.