Streitpunkt Smartphone

In vielen Familien ist das Smartphone ein permanenter Streitpunkt. Besonders Teenager lieben das vielseitige Gerät und benutzen es nahezu pausenlos – oft zum Ärger der Eltern. Und immer wieder tauchen Fragen auf: Was soll ich erlauben, was verbieten? Soll ich kontrollieren, was mein Kind auf Facebook macht oder welche Nachrichten es bei WhatsApp bekommt? Wie viel Smartphone täglich ist okay? Manche Eltern fürchten sogar, ihr Kind könne abhängig vom Handy sein. Lesen Sie in diesem Beitrag, welche Vor- und Nachteile das Handy bringt, warum das Smartphone für Jugendliche mehr ist als ein digitales Spielzeug und wie Sie den Umgang damit souverän regeln. Außerdem erfahren Sie, woran Sie erkennen können, ob Ihr Teenager Smartphone-süchtig ist. 

Inhaltsverzeichnis

Grenzen setzen, aber wie?

Das Smartphone ist eine revolutionäre und hilfreiche Erfindung: Wer möchte heute schon auf den mobilen Zugriff auf E-Mails und Internet verzichten? Durch unsere Handys sind wir virtuell miteinander vernetzt und fühlen uns weltweit miteinander verbunden. So weit, so gut. Wären da nicht die Probleme, die das Smartphone mitunter mit sich bringt.

Risiken und Nebenwirkungen: Welche Probleme Smartphones mit sich bringen (können)

1. Mangel an Muße und Ruhephasen im Alltag

Das Smartphone überhäuft uns und unsere Teenager mit einer kaum zu verarbeitenden Bilder- und Informationsflut. Das Handy gibt stets bimmelnde oder vibrierende Geräusche von sich und fordert ständig unsere Aufmerksamkeit. Es könnte ja sein, dass man eine wichtige Nachricht verpasst …

Die Folgen: Es gibt es kaum noch Leerlauf; Muße zur Erholung und Selbstbesinnung kommen im Alltag kaum noch vor. Das Handy wird so eher zur Belastung, als dass es Entlastung brächte. Das wiederum bringt Stress, Hektik und Ärger im Alltag. Und oft auch Streit mit dem Partner oder innerhalb der Familie.

2. Mangelnde Präsenz und geteilte Aufmerksamkeit im zwischenmenschlichen Kontakt

Das internetfähige Handy zwingt uns nahezu dazu, ständig verfügbar zu sein: Einer Untersuchung zufolge, die mithilfeeiner installierten App („Menthal“) bei rund 60.000 Menschen durchgeführt wurde, schaltet ein Smartphonebesitzer seinen Bildschirm im Durchschnitt 88 Mal (!) am Tag ein. Er verbringt ca. 2,5 Stunden an seinem Handy, von denen er allerdings nur 7 Minuten telefoniert. Bei Teenagern dürfte die durchschnittliche Zeit, die sie am Smartphone verbringen, sogar noch höher liegen.

Die Folgen: Es fällt (besonders jungen) Smartphonebesitzern manchmal schwer, wirklich präsent für das anwesende Gegenüber zu sein. Wer mitten in einem Gespräch zu seinem Smartphone greift und mal eben seine Chats checkt, signalisiert dem anderen auf eine mehr oder weniger deutliche Weise: „Du bist gerade nicht so wichtig, ich schenke dir nur die Hälfte meiner Aufmerksamkeit.“ Das ist besonders in Partnerschaften und Familien oft ein Problem, weil der andere sich verständlicherweise zurückgesetzt und vernachlässigt fühlt.

3. Dauerbespaßung und Unachtsamkeit im Umgang mit sich selbst

Das Smartphone lädt uns mit seinen mannigfaltigen Spielen, Apps, Streamingdiensten, Downloads, Filmen, Musikvideos etc. ständig dazu ein, uns unterhalten zu lassen: Den Großteil der Zeit am Handy verbringen die User laut oben genannter Erhebung durch „Menthal“ bei Facebook, WhatsApp und mit Spielen.

Die Folgen: Die Möglichkeit, sich abzulenken, ist sehr verführerisch und sorgt dafür, dass wir und unsere Kinder uns oft nicht mehr wirklich selber spüren. Unangenehme Gefühle werden schnell ausgeblendet, wenn der Teenager sich lustige Snapchats ansieht oder noch eine Runde Pokémon Go spielt. Dadurch entgehen ihm allerdings auch wichtige Informationen, die ihm sein Körper oder seine Psyche senden wollen. Denn auch Wut, Ärger und Traurigkeit haben ihre Berechtigung und wollen gespürt und verarbeitet statt immer nur verdrängt werden. Probleme werden so oft nicht oder zu spät erkannt und bearbeitet, was durchaus Langzeitfolgen (wie etwa spätere Depressionen) haben kann.

Mehr als ein Telefon: Was ein Smartphone für Teenager bedeutet

Für einen Teenager bedeutet ein Smartphone nicht nur ein vielseitiges, buntes und abwechslungsreiches digitales Spielzeug oderflottes Kommunikationsmittel. Für ihn ist das Handy ein wichtiges Medium, um sich mit Gleichaltrigen virtuell zu vernetzen, „mithalten“ zu können, „dabei“ zu sein und dazuzugehören. Ein massiver bestehender Gruppendruck ist hier kaum zu übersehen. Wer kein internetfähiges Handy hat, verpasst wichtige Infos aus dem Klassenchat und kann auch bei ganz normalem Klatsch und Tratsch einfach nicht mehr mitreden. Darüber hinaus nutzen Teenager das Smartphone allerdings auch, um sich von den Eltern abzulösen und selbstbestimmter zu werden. Ein Smartphone ist also nicht nur ein Statussymbol, sondern auch ein Zeichen fürs Erwachsenwerden, eine Trophäe der zunehmenden Selbstständigkeit. Auch das ist ein Grund, das Smartphone des Teenagers als wichtigen Bestandteilseines Lebens zu akzeptieren. Allerdings sollten Sie im täglichen Umgang damit einige Aspekte beachten (siehe unten).

Verbieten, erlauben, kontrollieren? So kommen Sie zu einem souveränen Umgang mit dem Thema „Smartphone“

Eltern von Teenagern sind ständig gefordert, wichtige Entscheidungen zu treffen, z.B.

  • Ab welchem Alter bekommt mein Kind ein Smartphone?
  • Darf es eine Flatrate haben? Wenn ja, wie viel Megabyte Datenvolumen?
  • Soll ich ihm WhatsApp/Snapchat/Instagram/Facebook/ YouTube erlauben? Wenn ja, ab welchem Alter?
  • Soll ich kontrollieren, was mein Kind in den Social-Media-Kanälen so alles treibt? Oder einfach Vertrauen haben, dass schon nichts Schlimmes passiert?
  • Welche zeitlichen Regeln soll ich für die Internetnutzung aufstellen?
  • Soll ich eine Kindersicherung einbauen oder nicht?
  • Soll ich den Gebrauch des Handys an bestimmte Bedingungen knüpfen? Usw.

Für all diese komplizierten Fragen gibt es keine verbindlichen Antworten und Richtlinien. Jede Familie muss hier ihren eigenen Weg finden. Bedenken Sie jedoch:

  • Ihr Kind wächst im digitalen Zeitalter auf und muss den Umgang mit den digitalen Medien lernen. Ein komplettes Handyverbot oder eine strikte Einschränkung der Handybenutzung ist für einen Jugendlichen nicht hilfreich! Ebenso wenig hilfreich ist es, die Benutzung des Handys an bestimmte Leistungen in der Schule zu koppeln. Das ist nicht nur wenig sinnvoll, sondern führt auch zwangsläufig zu ständigen Machtkämpfen zwischen Ihnen und Ihrem Kind. Besser ist es, sich auf ein paar wenige, aber streng verbindliche Regeln zu einigen (s.u.).
  • Die Idee, dass Sie Ihr Kind und seine Aktivitäten am Smartphone und/oder Internet lückenlos kontrollieren könnten, ist ein Irrglaube. Kaum hat Ihr Kind sein Smartphone mit einer PIN versehen, wird es schon problematisch. Im Übrigen hat Ihr Kind natürlich auch ein Recht auf eine gewisse Privatsphäre. Ohne ein paar elterliche Vorgaben, verbindliche Absprachen und Vertrauen geht es also nicht!
  • Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Kind den Umgang mit Smartphone, Tablet und Co. lernen wird. Selbst wenn es jetzt gelegentlich über die Stränge schlägt, brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. In der Regel pendelt sich der Gebrauch des Handys wieder auf ein Normalmaß ein, wenn die Teenager aus der wildesten Phase heraus sind. Machen Sie also nicht unnötigerweise ein Riesendrama um das Thema Handy: Je mehr Ihr Kind Sie damit auf die Palme bringen kann, desto eher kann es das Smartphone als Druckmittel oder Provokation einsetzen. Je weniger Druck Sie aufbauen, desto weniger Stress haben Sie diesbezüglich in der Familie. Ganz ohne Regeln geht es allerdings natürlich auch nicht.

7 Regeln, die Sie beachten sollten, wenn Ihr Kind ein Smartphone hat

1. Je jünger Ihr Kind ist, desto häufiger und länger sollte es mal das Handy beiseitelegen und aus- bzw. stumm schalten. Macht es das nicht von alleine, dann vereinbaren Sie auf jeden Fall verbindliche Handypausen, damit sich Ihr Kind erholen kann. Wenn sich Ihr Kind nicht an diese digitalfreien Zeiten hält, kassieren Sie das Handy vorübergehend ein.

2. Erkundigen Sie sich in den aktuellen Medien über digitale Trends, Sicherheitslücken der gängigen Programme usw., damit Sie diesbezüglich auf dem Laufenden sind. Teilen Sie Ihrem Kind mit, wenn Sie von bestimmten Viren, Trojanern oder anderen Gefahren erfahren haben und warnen Sie Ihr Kind rechtzeitig. So schützen Sie nicht nur sich und Ihr Kind, sondern bleiben auch diesbezüglich mit ihm in Kontakt. So erfahren Sie auch mehr darüber, was Ihr Kind im Internet so macht.

3. Lassen Sie sich um Erlaubnis bitten, bevor Ihr Kind eine App herunterlädt. Sollte Ihr Kind sich nicht daran halten und ohne Ihre Zustimmung Apps heruntergeladen haben, überlegen Sie, ob und welche Konsequenzen das haben soll. Bedenken Sie, dass die Konsequenzen sinnvoll und realistisch sein sollen. Es ist z.B. schwierig und unter Umständen sinnlos, dem Teenager das Handy zu entziehen, wenn er sich z.B. über den PC oder das Smartphone eines Freundes ohnehin wieder bei Facebook einloggen kann. Schauen Sie sich hin und wieder die Apps Ihres Kindes an, prüfen Sie, ob Sie diese für problematisch halten. In der Regel sind die angebotenen kostenlosen Spiele jedoch harmlos und jugendfrei.

4. Fragen Sie gelegentlich nach, was im Klassenchat oder in anderen Chats so los ist. Zeigen Sie sich dabei interessiert, nicht kontrollierend. Fragen Sie Ihr Kind auch immer mal wieder, ob sich alle einigermaßen freundlich im Chat verhalten, und sprechen Sie mit ihm darüber, dass man sich in der virtuellen Welt genauso höflich und freundlich zu verhalten hat wie im „real life“ (= echten Leben).

5. Während des gemeinsamen Essens haben Smartphones, Tablets, Notebooks etc. auf dem Tisch nichts zu suchen. Konsequenterweise darf dann aber auch die morgendliche Zeitung keinen Platz auf dem Frühstückstisch haben, und der TV sollte natürlich auch nicht laufen. Wichtig: Diese Regeln sollten für alle Familienmitglieder gleichermaßen gelten.

6. Stellen Sie sicher, dass Ihr Kind abends sein Handy ausstellt und weglegt, damit es nicht noch stundenlang heimlich surfen kann oder von eingehenden Nachrichten in seiner Nachtruhe gestört wird. Sollte Ihr Kind sich wiederholt nicht an diese Verabredung halten, kassieren Sie das Handy über Nacht ein.

7. Seien Sie ein gutes Vorbild! Legen auch Sie Ihr Smartphone möglichst oft zur Seite, gehen Sie nicht ans Telefon, während Sie essen oder miteinander reden. Dann lernt Ihr Kind auch mit der Zeit, entsprechend rücksichtsvoll und höflich zu sein.

Abhängigkeit: Ist mein Kind Smartphone-süchtig?

Wenn Ihr Kind extrem viel Zeit am Smartphone verbringt, machen Sie sich vielleicht Gedanken darüber, ob Ihr Kind handysüchtig sein könnte. Hier geben Experten jedoch oft Entwarnung. Zwar übt das Smartphone eine starke Faszination auf Jugendliche aus, aber die wenigsten von ihnen werden wirklich krankhaft abhängig, also süchtig.

Vier Kriterien kennzeichnen eine Handysucht:

  1. Der Handy-Abhängige spürt ein extrem starkes Verlangen, eine Handlung am Smartphone auszuführen, wie zum Beispiel ins Internet zu gehen oder ein Spiel auf dem Handy zu spielen.
  2. Der Süchtige verliert die Kontrolle über sich selbst. Er vernachlässigt zugunsten der Handysucht die Schule, seine Freunde, das Essen, seine Kleidung etc.
  3. Mit der Zeit muss der Handysüchtige die Menge der Internet- oder Spieldosis am Handy immer weiter erhöhen bzw. seinem Suchtverhalten immer länger und häufiger nachgehen.
  4. Es treten Entzugserscheinungen auf, wenn dem süchtigen Teenager kein Handy zur Verfügung steht: Er wird dann extrem unruhig, niedergeschlagen, aggressiv oder ängstlich.

Forscher in den USA sprechen vom „Mobile and Internet Dependency Syndrome“ (MAIDS), in Deutschland ist Handysucht jedoch (noch?) kein anerkanntes Störungsbild.

Mein Tipp: Eine Sucht entsteht nur dann, wenn bei Ihrem Teenager eine bestimmte psychische Disposition vorhanden ist und zusätzliche Stressfaktoren dazukommen. Das Smartphone allein ist also nicht schuld daran, wenn Ihr Kind Anzeichen einer Abhängigkeit entwickelt. Wenn Sie den Verdacht haben, dass Ihr Kind handysüchtig sein könnte, sollten Sie professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen, z.B. bei einer Jugend- und Suchtberatung in Ihrer Nähe. Einen Selbsttest für eine eventuelle Handysucht finden Sie in unserem Download-Bereich auf www.elternwissen.com/eltern wissen-service/gratis-downloads.html und als beigelegte Checkliste für Ihr Kind!