Mündliche Mitarbeit verbessern – Versagensangst bekämpfen
Aufgeschlossenen, selbstbewussten und kommunikativen Kindern fällt es in der Schule oft leicht, sich im Unterricht einzubringen. Mehr Probleme mit der mündlichen Mitarbeit haben hingegen die schüchternen, zurückhaltenden Schülerinnen und Schüler. Doch auch sie können lernen, ihre Schüchternheit oder Ängstlichkeit zu überwinden.
8 Strategien gegen Versagensangst
Erst letzte Woche rief mich eine sehr besorgte Mutter in meiner Sprechstunde an und schilderte folgendes, häufig auftretende Problem:
„Ich mache mir große Sorgen um meine Tochter Nadine, die zurzeit die vierte Klasse besucht und im Sommer auf ein Gymnasium wechseln wird. Nadine ist eine sehr stille Schülerin und meldet sich im Unterricht so gut wie nie. Ich weiß genau, dass sie die Unterrichtsinhalte versteht und die meisten Fragen richtig beantworten könnte. In den Klassenarbeiten schreibt sie stets gute bis sehr gute Noten. Aber sobald sie vor einer Gruppe reden soll, verstummt meine Tochter. Und das, obwohl die Lehrerin sehr freundlich ist und Nadine nicht befürchten muss, für eine falsche Antwort ausgelacht zu werden. Im Gymnasium wird die mündliche Mitarbeit sehr viel stärker bewertet als in der Grundschule. Ich befürchte, dass meine Tochter dort ihr Potenzial nicht zeigen kann, weil sie sich einfach nicht traut, ihr Wissen im Unterricht einzubringen.“
Viele Eltern sind ratlos, wie Sie mit Versagensangst umgehen sollen
Mit diesen Sorgen steht Nadines Mutter nicht allein da. Rund 25% aller Schülerinnen und Schüler haben leichte bis starke Hemmungen, im Unterricht ihre Meinung zu äußern, Fragen der Lehrer zu beantworten oder ein Referat vorzutragen. Die meisten Eltern sind hilflos und wissen überhaupt nicht, was sie gegen diese Hemmungen tun können. Schließlich können sie ihr Kind im Unterricht nicht begleiten und es in den entscheidenden Momenten unterstützen. Auch Nadines Mutter ist ratlos: „Gespräche mit Nadine haben absolut nichts gebracht, ich weiß einfach nicht weiter und habe keine Idee, was wir noch tun können. Meine Tochter ist ansonsten eine sehr gute Schülerin, nur eben einfach viel zu still.“
Gehen Sie auf Nummer sicher!
Wenn Sie, wie Nadines Mutter, die Befürchtung haben, dass die mündliche Mitarbeit Ihres Kindes in der Schule sehr schlecht ist, sollten Sie diese Vermutung zunächst einmal überprüfen. Vielleicht meldet sich Ihr Kind öfter, als Sie denken, und Sie machen sich ganz umsonst Sorgen um seine Noten. Für die mündliche Mitarbeit zählt nämlich nicht nur die Anzahl der Redebeiträge, sondern auch andere Kriterien fließen in die Beurteilung mit ein. Anhand der folgenden Checkliste können Sie leicht erkennen, ob Ihr Kind seine mündliche Mitarbeit wirklich verbessern muss oder ob Ihre Einschätzung möglicherweise nicht ganz richtig ist.
Wie gut ist die Mündliche Mitarbeit Ihres Kindes?
- Stellt Ihr Kind Fragen im Unterricht, wenn es etwas nicht verstanden hat?
- Erzählt Ihr Kind zu Hause häufig, dass die Lehrerin oder der Lehrer seinen Redebeitrag missverstanden hat?
- Hat Ihr Kind eine eigene Meinung zu Unterrichtsthemen und kann es diese auch im Unterricht vertreten?
- Meldet sich Ihr Kind in fast jeder Unterrichtsstunde mindestens ein- bis zweimal?
- Beantwortet Ihr Kind Fragen, wenn es vom Lehrer aufgerufen wird?
- Traut sich Ihr Kind, vor der Klasse ein Referat oder einen Vortrag zu halten?
- Traut sich Ihr Kind, ab und zu seine Hausaufgaben vorzutragen?
- Kann Ihr Kind an der Tafel ohne große Aufregung oder Angst etwas ausrechnen oder anzeichnen?
- Hat Ihr Kind regelmäßig seine Hausaufgaben im Unterricht dabei?
- Gelingt es Ihrem Kind, Arbeitsblätter im Unterricht richtig auszufüllen?
- Kann Ihr Kind sein Wissen in der Gruppenarbeit einbringen?
Auswertung: Wie viele Fragen konnten Sie mit „ja“ beantworten? Im Zweifelsfall kann es sinnvoll sein, vorab ein Gespräch mit der Lehrerin zu führen. Sie sollte Ihnen genau Auskunft über die einzelnen Kriterien geben können.
0- bis 4-mal „ja“: Ihr Kind braucht Unterstützung!
Ihr Kind hat vermutlich wirklich größere Probleme, sich im Unterricht zu melden und sein Wissen einzubringen. In der weiterführenden Schule könnte das seine Noten negativ beeinflussen. Es wäre sinnvoll, mit ihm hilfreiche Strategien gegen die Angst einzuüben.
5- bis 7-mal „ja“: Unterstützung kann die ordentliche mündliche Mitarbeit noch verbessern!
Ihr Kind liegt im guten Mittelfeld und traut sich immer wieder mal, sein Wissen einzubringen oder Fragen zu stellen. Eine zusätzliche Unterstützung ist nicht unbedingt notwendig, kann sich jedoch in Zukunft sehr positiv auswirken.
8- bis 11-mal „ja“: Ihr Kind braucht keine Unterstützung!
Es hat vermutlich keine Hemmungen, sich im Unterricht zu melden und sein Wissen einzubringen. Es verfügt über ein starkes Selbstbewusstsein und kann auch kleine Misserfolge leicht wegstecken. Zusätzliche Unterstützung benötigt es eher nicht.
Finden Sie heraus, was Ihr Kind hemmt
Um die mündliche Mitarbeit eines Kindes zu verbessern, ist es wichtig, seine Beweggründe zu kennen. Natürlich gibt es eine Reihe von Kindern, die sich nicht melden, weil sie einfach die Antwort auf die Fragen der Lehrer nicht kennen. Wenn es aber sicher erscheint, dass ein Kind sich nicht aus Unwissenheit zurückhält, ist häufig die Angst vor dem Versagen der Hauptgrund. Die schüchternen und zurückhaltenden Kinder haben einfach Angst davor, dass die Antwort doch nicht ganz richtig sein könnte. In der Folge befürchten sie einen so genannten Gesichtsverlust: sowohl vor den Mitschülern als auch vor den Lehrkräften. Das wollen sie auf jeden Fall vermeiden, weil sie mit solch einer Beschämung nicht umgehen können.