So lernen Kinder Regeln
Oft ist es für Eltern eine Gratwanderung: Einerseits wollen sie ihr Kind nicht autoritär erziehen, andererseits müssen klare Regeln und Grenzen aber sein. Doch was tun, wenn kleine Dickschädel partout nicht so wollen wie Mama oder Papa?
- Erziehungstipps
- Regeln und Grenzen setzen: Weniger ist für Ihr Kind mehr!
- Bringen Sie Ihr Kind dazu, sich an die Regeln halten zu wollen
- Kleine Rebellen brauchen liebevolle und realistisch in die Tat umsetzende Regeln
- Erste Hilfe, wenn sich Ihre Kinder doch nicht an die Regeln halten
- Gehen Sie auch mal Kompromisse ohne Regeln bei einem drohenden Machtkampf ein
Erziehungstipps
Grenzüberschreitungen sind normal – und das nicht erst in der Pubertät. Kinder probieren immer wieder aus, wie weit sie gehen können, und versuchen dabei Grenzen zu übertreten. Das ist völlig normal und kein Anlass zur Sorge. Es ist nur ziemlich nervenaufreibend und anstrengend. Doch Sie haben es selbst in der Hand, wie intensiv Ihr Kind Sie testet!
Regeln und Grenzen setzen: Weniger ist für Ihr Kind mehr!
Kinder, deren Wünsche und Bedürfnisse nach Möglichkeit respektiert wurden, sind viel eher bereit, sich an Regeln und Grenzen zu halten. Daher sollten Sie Folgendes beachten: Klare und verständliche Regeln sind wichtig, jedoch sollten es immer nur so viele Regeln wie unbedingt nötig sein! Regeln sollten für alle gelten. Wenn Ihr Kind beispielsweise seine Schuhe vor der Haustüre ausziehen soll, sollten auch Sie als Eltern sich an diese Regel halten. So wird sie einerseits glaubwürdiger, und andrerseits wird sie Ihrem Kind in Fleisch und Blut übergehen, wenn Sie sich alle gemeinsam daran halten.
Mein Tipp, wenn Sie Regeln aufstellen |
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Kennen Sie den kleinen Kobold Pumuckl, der den Meister Eder immer wieder mit unverrückbaren Tatsachen konfrontiert? „Uraltes Koboldsgesetz!“ nennt er sie dann. Stellen Sie mit Ihrem Kind doch auch ein paar „uralte Familiengesetze“ auf, die Sie mit Ihrem Familiennamen „garnieren“ können. Bei Familie Huber wäre das entsprechend ein „uraltes Huber-Gesetz“. Wetten, dass sich Ihr Kind gleich viel leichter an so eine Regel halten kann. |
Erklären Sie Ihrem Kind, warum es etwas tun oder lassen soll! Wenn Regeln nicht willkürlich erscheinen, sondern offensichtlich sinnvoll sind, kann Ihr Kind sich leichter daran halten.
Lassen Sie Ihr Kind so oft wie möglich selbst entscheiden oder mitentscheiden. In vielen Dingen müssen Sie als Eltern die Richtung vorgeben, doch können Sie mit Ihrem Kind Bereiche festlegen, über die es selbst bestimmen darf. Das kann z. B. die Kleidung betreffen (so lange es nicht Sandalen im Winter trägt) oder das Privileg, an bestimmten Tagen zu entscheiden, was es zum Mittagessen gibt oder wohin der Spaziergang geht.
Lassen Sie hin und wieder eine Ausnahme zu! Manchmal sollten Sie ein Auge zudrücken, wenn Ihr Kind sich nicht an bestimmte Regeln hält. Seien Sie nachsichtiger, wenn es beispielsweise krank oder völlig übermüdet ist. Auch bei einem größeren Kind, das eben erst ein Geschwisterchen bekommen hat und deshalb öfter getragen werden will oder plötzlich wieder aus der Flasche trinken möchte, müssen Sie nicht darauf bestehen, dass es immer selbst geht oder aus dem Becher trinkt.
Wenn Ihr Kind bestimmte Regeln immer wieder verletzt, sollten Sie sich fragen, ob sie noch angemessen sind oder möglicherweise geändert werden können. Ist Ihr Kind vielleicht schon selbstständiger geworden, und braucht es in manchen Dingen inzwischen weniger Kontrolle?
Fragen Sie Ihr Kind, ob es zu bestimmten „Knackpunkten“ Lösungsvorschläge hat. Sie wollen gerne Ihre Ruhe haben, Ihr Kind möchte jedoch unbedingt in voller Lautstärke seine Lieblingskassette hören? Sammeln Sie alle Ideen Ihres Kindes, ohne sie zunächst zu bewerten, und handeln Sie dann gemeinsam eine Lösung aus, die für beide Seiten annehmbar ist. In unserem Beispiel könnte Ihr Kind vielleicht vorschlagen, den Kassettenrekorder mit ins Kinderzimmer zu nehmen, sodass im Wohnzimmer Ruhe herrscht. Sollte Ihr Kind nicht auf eine für Sie akzeptable Idee kommen, können Sie selbst einen Vorschlag machen und fragen: „Was meinst du? Könnte das funktionieren? Sollen wir das mal ausprobieren?“ Nennen Sie Ihrem Kind auch die Vorteile, etwa dass die Mama durch die Lärmentlastung wieder besser gelaunt spielen kann.
Bringen Sie Ihr Kind dazu, sich an die Regeln halten zu wollen
Wie schaffen Sie es, dass Ihr Kind sich an Regeln hält und nicht jedes Mal wieder austestet, ob es nicht doch auch anders geht? Womöglich sogar, ohne dass Sie es ständig kontrollieren? Was Drohungen und Strafen nicht zuwege bringen, geht fast wie von selbst, wenn Ihr Kind motiviert ist. Das Geheimrezept der Erziehung lautet also: Bringen Sie Ihr Kind dazu, es selbst zu wollen!
Ein berühmtes Beispiel aus der Literaturgeschichte stellt Tom Sawyer in der folgenden Episode dar: Tom hat wieder mal Blödsinn angestellt und wird deshalb von seiner Tante Polly dazu verdonnert, an einem wunderschönen Sommertag den Gartenzaun zu streichen. Natürlich muss Tom unter dem Spott seiner Freunde leiden. Doch er lässt sich nicht beeindrucken. Wer will denn schwimmen, wenn er die Chance bekommt, einen Zaun zu streichen! Tom vertieft sich voll Begeisterung in seine Aufgabe, trägt hier einen Pinselstrich auf, beäugt dort eine noch nicht perfekt getünchte Stelle. Sein Freund Ben ist anfangs ungläubig, doch die Arbeit scheint so einen Spaß zu machen, dass er es selbst gerne versuchen möchte. Tom ist skeptisch: Kann Ben das denn überhaupt gut genug? Tante Polly ist in diesen Dingen nämlich sehr kritisch. Ben möchte inzwischen derart sehnsüchtig den Zaun streichen, dass er sogar bereit ist, einen Apfel dafür zu „bezahlen“! Tom windet sich ein wenig und willigt schließlich ein. Am Ende des Tages hat er mehrere seiner Freunde davon überzeugt, dass sie nichts lieber wollen, als diesen Zaun zu streichen. Schließlich ist diese Tätigkeit etwas ganz Besonderes, weil sie nicht leicht zu bekommen ist. Vielleicht kann Tom Sawyer Sie inspirieren, wie Sie Ihrem Kind Aufgaben und Regeln schmackhaft machen können: Stellen Sie das Besondere heraus. Zweifeln Sie daran, ob Ihr Kind einen „Auftrag“ überhaupt ausführen kann und lassen Sie sich dann das Gegenteil beweisen. Manchmal hilft auch ein Wettlauf. Betonen Sie, dass das nur was für „große Kinder“ ist, oder spornen Sie Ihr Kind an, indem Sie ihm sagen: „Niemand macht das so toll wie du!“ – am besten mit einem Erfolgsbeispiel aus der Vergangenheit, als es etwas besonders gut gemacht hat.
Nutzen Sie den „Reiz des Verbotenen“. Zögern Sie merklich, bevor Sie Ihrem Kind eine Anordnung erteilen: Nein, das sollten Sie wohl besser selbst erledigen! Oft kommt dann ein begeistertes „Das mach ich schon für dich – ich kann das!“
Erhöhen Sie den Spaßfaktor. Aufräumen zu flotter Musik oder im Tanzschritt geht gleich viel leichter von der Hand. Singen Sie oder erzählen Sie Ihrem Kind etwas – aber nur so lange Ihr Kind mitmacht. Machen Sie aus alltäglichen Dingen eine geheimnisvolle Sache. Vielleicht helfen Zauberschuhe, wenn Ihr Kind kurz davor ist, sich hinzuwerfen, weil es nicht mehr weitergehen will?
Machen Sie Ihrem Kind die Vorteile klar. Wenn Ihr Kind sich selbst anzieht, kann es sich den Pulli aussuchen – ansonsten bekommt es einfach einen hingelegt. Wenn es aufräumt, findet es sein Lieblingsspielzeug viel schneller (Extratipp: Schuhkartons mit Hologrammfolie bekleben – sehen toll aus und lassen sich prima zum Verstauen von Krimskrams verwenden).Wenn Ihr Kind beim Aufräumen hilft, sind Sie beide schneller fertig und Sie können ihm noch etwas vorlesen. Oft hilft auch eine kleine Belohnung.
Schlüpfen Sie im Rollenspiel in die Haut des anderen. Ihr Kind kann Mutter oder Vater spielen, und Sie – oder auch der Teddy oder das Kuscheltier (von Ihnen gesprochen) – sind das bockige Kind. Wie würde Ihr Kind als Mutter oder Vater reagieren? So können Sie etwas darüber lernen, wie Ihr Kind „tickt“ und wie es behandelt werden möchte (ob das dann immer möglich sein wird, steht auf einem anderen Blatt). Ihr Kind kann sich vielleicht ein wenig einfühlen, wie schwierig es ist, mit einem kleinen „Bock“, der immer etwas anderes will, umzugehen.
Wenn gar nichts hilft: Lassen Sie logische Folgen wirken. Wenn Ihr Kind die Konsequenzen seines Verhaltens selbst zu tragen hat, klappt vieles schon nach kurzer Zeit besser.
Kleine Rebellen brauchen liebevolle und realistisch in die Tat umsetzende Regeln
Logische Folgen sollten mit Bedacht gewählt sowie realistisch und durchführbar sein. Strafen wie zwei Wochen striktes Fernsehverbot sind für Kinder und Eltern nur schwer durchzuhalten. Und wenn Sie zuerst drohen, dann aber nicht konsequent bleiben können, machen Sie sich nur unglaubwürdig.
Erste Hilfe, wenn sich Ihre Kinder doch nicht an die Regeln halten
Viele Eltern sind etwas ratlos, wie sie ihrem ungehorsamen Kind Grenzen setzen und gleichzeitig auf Bestrafungen verzichten können. Die beiden wichtigsten Regeln für Eltern lauten: Reagieren Sie möglichst prompt und vorhersehbar auf ein Fehlverhalten Ihres Kindes. Handeln Sie, statt zu reden! Ermahnen Sie Ihr Kind nicht wieder und wieder. Lassen Sie sich nicht in lange Diskussionen verwickeln. Sorgen Sie spätestens nach einer Ermahnung dafür, dass Ihr Kind Ihrer Aufforderung nachkommt. Dazu ist in aller Regel Ihre körperliche Anwesenheit nötig, denn es nutzt nichts, wenn Sie nur aus dem Nebenzimmer rüber rufen, was Ihr Kind machen soll:
Gehen Sie zu Ihrem Kind hin. Oft fängt es dann schon an zu tun, was es soll.
Führen Sie ihm die Hand. Wenn Ihr Kind seine Jacke auf den Boden gepfeffert hat und keine Anstalten macht, sie aufzuhängen, können Sie dies mit ihm zusammen tun.
Entfernen Sie den Grund für seinen Ungehorsam. Spielt Ihr Kind im Wohnzimmer Fußball, obwohl es das nicht darf, nehmen Sie ihm den Ball ab.
Entfernen Sie Ihr Kind vom Schauplatz. In hartnäckigen Fällen braucht Ihr Kind eine Auszeit (siehe Seite 4), z. B. wenn es ständig andere Kinder schlägt oder ärgert, ununterbrochen stört oder andere beschimpft.
Gehen Sie auch mal Kompromisse ohne Regeln bei einem drohenden Machtkampf ein
Prinzipiell sollten Eltern Wort halten. Das bedeutet auch, dass eine angedrohte Konsequenz bei Fehlverhalten wirklich eintritt oder dass ein „Nein“ tatsächlich ein „Nein“ bleibt, auch wenn das Kind deshalb einen Wutanfall bekommt. Oft ist es aber bei akuten Machtkämpfen sinnvoller, sich elegant aus der Konfrontation zurückzuziehen, sodass es auf beiden Seiten keinen Verlierer gibt.
Zeigen Sie Verständnis: „Ich wusste gar nicht, dass dir das so wichtig ist.“ Vermutlich wird Ihr Kind überrascht sein, dass Sie das Problem nicht auf die „sture Tour“ durchziehen. Fragen Sie, warum es Ihrem Kind so wichtig ist, seinen Kopf durchzusetzen. Vielleicht können Sie sich dann auf einen der folgenden Punkte einigen.
Eine Ausnahme machen: Ihr Kind will partout nicht in den Kindergarten? Sie können ihm einmal (nicht immer wieder!) zugestehen, dass es daheim bleibt.„Jeder braucht mal eine Pause, aber morgen gehst du wieder hin, abgemacht?!“
Einen Kompromiss schließen: Ihr Kind weigert sich beim Heimkommen vom Spielplatz, das eine Stockwerk bis zur Wohnungstür hochzugehen? Bieten Sie ihm an: „Ich trag dich zwei Stufen hoch, dann gehst du drei Stufen selber, dann trag ich dich wieder usw.“
Machen Sie es wie die Sportler und nehmen Sie eine Auszeit: Wenn Sie nicht weiterkommen, unterbrechen Sie doch den Machtkampf, indem Sie zunächst etwas anderes vorschlagen und das strittige Thema ruhen lassen. Vielleicht entwickelt sich mit der Zeit sogar ein Ritual daraus: Erst machen wir uns beide eine Tasse „Abregungstee“, vielleicht Rotbuschtee mit Milch und Kandiszucker – und dann reden wir in Ruhe nochmal darüber.