Was tun, wenn Kleinkinder unsanft mit anderen Kindern umgehen?

Inhaltsverzeichnis

Liebe Frau Dr. Schmelz,

Lukas (15 Monate) ist unser erstes Kind und deshalb wohl von allen etwas verwöhnt. Bis vor kurzem hat das Zusammensein mit anderen Kindern recht gut funktioniert. Doch seit ca. zwei Wochen reißt er anderen Kindern alles aus den Händen oder zerrt an deren Kleidern. Ständig muss ich jetzt dazwischen gehen und ihn ermahnen. Wie verhalte ich mich in solchen Situationen am besten? Ist dieses Verhalten normal, vergeht es wieder? Man liest und hört ja, dass man Kinder ihre Konflikte alleine austragen lassen soll, doch wenn das andere Kind schon weint und er einfach nicht locker lässt, kann ich nicht anders als einzugreifen.

von Michaela B.

Antwort von: Dr. med. Andrea Schmelz

Liebe Michaela,

Lukas Verhalten anderen Kindern gegenüber ist in diesem Alter nicht ungewöhnlich. Es gibt zwei Erklärungen dafür: Die Kleinen können sich noch nicht mit Worten ausdrücken und wissen noch nicht so recht, wie sie Kontakt zu anderen Kindern aufnehmen oder um etwas, das sie haben wollen, bitten können. Wenn Lukas mal wieder zu ruppig ist, sagen Sie laut und deutlich: „Lukas, hör auf, das Kind am Pulli zu ziehen.“ Gehen Sie dann zu ihm hin und zeigen Sie ihm, wie er ein anderes Kind streicheln/sanft berühren kann. Will er einem Kind etwas wegnehmen, müssen Sie ebenfalls einschreiten und vermitteln, denn er weiß noch nicht, wie er das Gewünschte sonst bekommen könnte. Zeigen Sie ihm, wie er um etwas bitten kann oder wie man tauscht. Wollen zwei Kleinkinder dasselbe Spielzeug haben, können Sie nur versuchen, einen der beiden abzulenken. Das Teilen klappt frühestens ab drei Jahren. Es könnte auch sein, dass Lukas versucht, mit seinem Verhalten Aufmerksamkeit zu bekommen, und – wie in der Situation zu Hause – absolut im Mittelpunkt stehen will. Da er weiß, dass Sie auf sein „rüpelhaftes“ Verhalten sofort reagieren und ihm die ungeteilte Aufmerksamkeit schenken (hingehen, ermahnen), ist sein Verhalten taktisch sehr wirksam. Natürlich müssen Sie ihn davon abhalten, andere Kinder zu sehr zu bedrängen. Wenn er andere Kinder ruppig behandelt, sollten Sie zu ihm hingehen und ihn wie oben beschrieben ermahnen („Lukas, hör auf …“). Nutzt das nichts, bekommt Lukas eine kurze Auszeit und darf für ein bis zwei Minuten nicht mehr mitspielen. In dieser Zeit muss er bei Ihnen sitzen. Sie sollten ihn in dieser Zeit ignorieren, ihm also keine zusätzliche Aufmerksamkeit schenken. Ich vermute allerdings, Lukas wird freiwillig nicht sitzen bleiben. Dann ist es am besten, Sie halten ihn in dieser Zeit auf Ihrem Schoß fest, aber mit seinem Rücken an Ihrem Bauch, sodass Sie ihn nicht ständig ansehen. Lassen Sie Lukas erst dann vom Schoß, wenn er sich beruhigt hat, falls er ob dieser „Freiheitsberaubung“ brüllt. Bleibt auch eine Auszeit ohne Erfolg, sollten Sie einige Male auf dem Spielplatz oder in der Spielgruppe ganz konsequent nach der ersten Ermahnung sofort heimgehen. Nehmen Sie Lukas möglichst ruhig an die Hand, notfalls unter den Arm, und verlassen Sie den Schauplatz. Sagen Sie einmal (nicht öfter!) ruhig und bestimmt: „Wenn du andere(n) Kinder(n) … (am Pulli ziehst/alles aus der Hand reißt), müssen wir nach Hause gehen.“ Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und gute Nerven!

Herzliche Grüße

Ihre Andrea Schmelz