Rechengenie oder Sprachkünstler – Welchen Intelligenztyp hat Ihr Kind?

Fast alle Eltern eines Schulkindes fragen sich irgendwann, in welche Richtung sich ihr Sohn oder ihre Tochter wohl entwickeln werden. Ganz wichtig für eine realistische Antwort sind dabei die individuellen Intelligenz- und Begabungsschwerpunkte. Oft zeigt sich nämlich schon sehr früh, wo die Reise hingehen könnte. Mithilfe des folgenden Artikels können Sie die Stärken Ihres Kindes leichter einschätzen. 

Inhaltsverzeichnis

Intelligenz hat unterschiedliche Bereiche

In der Intelligenzforschung werden zurzeit bis zu acht verschiedene Begabungsbereiche angenommen, die sich auf die Veröffentlichungen des Wissenschaftlers Howard Gardner zurückführen lassen. Ohne diese verschiedenen Intelligenzbereiche vernachlässigen zu wollen, ist auch die Unterscheidung in die beiden klassischen Grundtypen sinnvoll. Oft lassen sich nämlich die Interessen und Begabungen eines Kindes in zwei grobe, grundlegende Richtungen einordnen: die sprachliche und die logisch-mathematische Intelligenz. Davon ausgehend, können dann auch die anderen Intelligenzbereiche festgestellt und in ein mögliches Förderkonzept eingebaut werden.

Mathematisch-logische Intelligenz (ab Ende 2. / Anfang 3. Klasse)

Anhand der folgenden Checkliste können Sie herausfinden, zu welcher Richtung Ihr Kind tendiert. Je mehr der Aufgaben Ihr Kind lösen kann, desto stärker sind seine Fähigkeiten in diesem Bereich.

Kann Ihr Kind die Struktur eines Problems erfassen, ohne vom Inhalt abgelenkt zu werden?

Beispielaufgabe: Kann Ihr Kind sich direkt auf die Rechnung konzentrieren, oder lässt es sich vom traurigen Inhalt ablenken?

„Eine Hündin bekommt 7 süße Welpenbabys. 2 davon sterben direkt nach der Geburt, 2 müssen mit der Flasche von der Besitzerin ernährt werden, und 2 kommen direkt nach der Geburt ins Tierheim. Wie viele Babys bleiben bei der Hündin?“ 

Kann Ihr Kind vom Einzelfall verallgemeinern und vom Allgemeinen auf den Spezialfall schließen (Rechengesetze erkennen und entwickeln)?

Beispielaufgabe: Führe die Reihen fort!

3691215?
12910278573924?
252127332935?
Ist Ihr Kind im Umgang mit abstrakten Symbolen und Zahlen geistig sehr „beweglich“?

Beispielaufgabe: Ersetze die Symbole durch Ziffern und rechne aus: Ä=5 ; Ö=6 ; Ü=7

Ö+ÜÄ=?
Ö·ÜÄ=?
Hat Ihr Kind die Fähigkeit, sich abstrakte Beweise und Rechenregeln gut zu merken?

Beispielaufgabe: Führe die Reihe fort bis 133. 

(Ihr Kind versteht rasch, dass es immer nur den 10er ändern muss?)

3 + 10 = 133 + 20 = 233 + 30 = …
Hat Ihr Kind Spaß an Knobelaufgaben?

Beispielaufgabe: Ihr Kind versucht Knobelaufgaben zu lösen, z.B. folgende:

Eine Ameise krabbelt auf einen Baum, der 11 Meter hoch ist. In einer Stunde schafft sie 3 Meter, sie rutscht aber nach jeder Stunde vor Erschöpfung wieder einen Meter hinunter. Wann hat sie die Spitze des Baumes erreicht? Dauert es 4, 5 oder 6 Stunden?

Verwendet Ihr Kind bei Erklärungen logische Begriffe?

Beispielaufgabe: Lassen Sie Ihr Kind ein Naturphänomen erklären (z.B. Ebbe und Flut).

Verwendet es folgende Begriffe: wenn/dann, deshalb, weil, entweder/oder, Grund, Ursache?

Kann Ihr Kind logischen Erklärungen leicht folgen und sie auch weitervermitteln?

Beispielaufgabe: Lassen Sie Ihr Kind die Regeln eines ihm bekannten Spieles erklären, zum Beispiel „Mensch, ärger dich nicht“. Erklärt es logisch und verständlich?

So zeigt sich die mathematisch-logische Intelligenz im Alltag von Kindern

Kinder mit einer mathematisch-logischen Begabung befassen sich von klein auf gerne mit Zahlen. Sie haben ein gutes Zahlengedächtnis und keine Schwierigkeiten, die verschiedenen Rechenoperationen zu verstehen und anzuwenden. Kleine Rechengenies haben große Freude daran, zum Beispiel das Gewicht von Autos auszurechnen, Altersunterschiede in Zahlen zu benennen, mit Einheiten beim Kochen und Backen umzugehen oder die Uhrzeit zu lernen. Beeindruckend ist oft auch ihr Zahlengedächtnis. Logische Zusammenhänge stellen für sie kein Problem dar (wenn die Temperatur unter null Grad fällt, dann gefriert Wasser zu Eis). 

Wann sollten Sie Ihr Kind auf Hochbegabung testen lassen?

Manche Kinder sind so offensichtlich hochbegabt, dass ein Test nur eine unnötige Belastung wäre. In diesen Fällen ist es sehr viel sinnvoller, sich mit der Schule in Verbindung zu setzen und geeignete Maßnahmen zu besprechen, damit keine Langeweile und/oder Unterforderung auftreten. Wenn Kinder jedoch extrem unruhig sind, sich schnell langweilen und in der Schule keine Freunde finden, dann kann das auch ein Zeichen für Hochbegabung und Unterforderung sein. Um sicherzugehen, sind Intelligenztests in einer Erziehungsberatungsstelle oder beim Schulpsychologen ein sinnvoller Schritt. Und noch ein wichtiger Hinweis! Solange es keine Probleme gibt, ist eine Testung überflüssig; wenn Probleme vorliegen (Underachiever), ist eine attestierte Hochbegabung für die Gespräche mit der Schule wichtig. 

Sprachliche Intelligenz: Was trifft auf Ihr Kind zu?

Erkennbare Eigenschaften bereits im Vorschulalter:

  • Ihr Kind spricht bereits früh (ab einem Jahr) und fragt viel, hat einen großen Wortschatz und versucht sich die Welt über Worte zu erklären.
  • Ihr Kind diskutiert gerne, gut und viel.
  • Ihr Kind kann logisch und zeitlich in richtiger Reihenfolge erzählen, kann andere Personen treffend beschreiben.
  • Ihr Kind hat keine Probleme zu telefonieren und benutzt auch fremdsprachliche Wörter im richtigen Zusammenhang.

Beispielaufgaben ab Ende 2. / Anfang 3. Klasse

Stellen grammatische Konstruktionen für Ihr Kind keine Schwierigkeit dar?

Beispielaufgabe: Beuge die folgenden Verben (Tunwörter): singen / fallen / bohren

ich _____du _____er, sie, es _____ 
wir _____ihr _____sie _____
Kann Ihr Kind Sprache sehr detailliert verstehen und einsetzen?

Beispielaufgabe: Welches Wort passt am besten zu

1. stürzen: laufen – fallen – eilen – umkippen – hasten

2. Gebinde: Gewinde – Strauß – Krawatte – Kranz – Schnur

Fällt Ihrem Kind der Umgang mit Sprache leicht, ist sein Wortschatz groß?

Beispielaufgabe: Finde mindestens 3 Reimwörter zu:

lesen:_________ , _________ , _________
Baum:_________ , _________ , _________
trinken:_________ , _________ , _________
Fallen Ihrem Kind Beschreibungen und Umschreibungen leicht?

Beispielaufgabe: Umschreibe die folgenden Begriffe, ohne das eigentliche Wort zu benutzen:

1.Tigerkäfig
2.Ruderboot
3.Königsschloss
Erzählt Ihr Kind gerne Geschichten?
Beispielaufgabe: Fragen Sie Ihr Kind: „Welches Ereignis hat dich heute am meisten beeindruckt?“ (sprachbegabte Kinder lassen sich nicht lange bitten und erzählen gerne)
Nutzt Ihr Kind Sprache als spielerisches Element?

Beispielaufgabe: Erklären Sie Ihrem Kind eine Geheimsprache. Hat es daran Spaß, und kann es sie anwenden?

Z. B. wie bei den Chinesen das "R" in ein "L" verwandeln.

Wandele um: „Gestern hat meine Freundin (mein Freund) ihren/seinen Roller verloren.

Zeigt Ihr Kind Interesse an und Begabung für Fremdsprachen?

Beispielaufgabe: Lesen Sie den folgenden Satz vor: Kann Ihr Kind ihn nachsprechen?

Z. B.: „Mi casa es muy grande.“ (Mein Haus ist sehr groß.)

So zeigt sich die sprachliche Intelligenz im Alltag von Kindern

Das korrekte Anwenden von Sprache ist besonders in Kontakt mit anderen Menschen oder in der schriftlichen Ausdrucksform von großer Bedeutung. Sprachlich begabte Kinder lesen gerne, lernen leicht Fremdsprachen und können sich auch schriftlich sehr gut ausdrücken. In mündlichen Verhandlungen, z. B. wenn Kinder diskutieren, was als Nächstes gespielt werden soll, stehen sie häufig als Gewinner da. Sie können gut überzeugen und haben keine Schwierigkeiten, auch aus dem Stand heraus ihre Meinung zu vertreten.

  • Mein Tipp:  Je nachdem, welchem Intelligenztyp Ihr Kind zuzuordnen ist, können Sie danach künftig auch die Freizeitbeschäftigungen oder die Förderung ausrichten. Dabei ist es sinnvoll, immer auch den Bereich zu trainieren, indem Ihr Kind nicht so starke Fähigkeiten hat. Mathematisch begabte Menschen müssen sich auch sprachlich durchsetzen, und Sprachkünstler können auf das Rechnen nicht verzichten.