Ehrgeiz wecken: So setzt Ihr Kind sich Ziele
Mit dem Ehrgeiz ist es in der Pubertät so eine Sache. Selbstverständlich haben die Jugendlichen Ehrgeiz, und das nicht zu knapp. Gute Noten oder vorbildhaftes Verhalten sind dort aber eher nicht zu finden. Lesen Sie hier, wie Ihr Kind trotzdem lernt, sich Ziele zu setzen und sie zu erreichen.
- Ziele setzen und erreichen
- „Du lernst nicht für die Schule, sondern für’s Leben“
- 5 No-Gos beim Versuch, den Ehrgeiz zu wecken
- Pubertierende fühlen sich grundsätzlich missverstanden
- Ehrgeiz wecken Tipp 1: greifbare Ziele
- Ehrgeiz wecken Tipp 2: Vorbild finden
- Realistische Ziele sind wichtig für den Ehrgeiz
- So wecken Sie den Ehrgeiz Ihres Kindes
- Mein Tipp: Indirekt loben
Ziele setzen und erreichen
Sie wollen unbedingt ein Date vereinbaren, heimlich rauchen oder sich so kurz wie möglich auf eine Klassenarbeit vorbereiten (und trotzdem bestehen). Auch das chaotischste Zimmer, die unverschämteste Antwort oder die längste Zeit ohne Kommunikation (in der Familie) stehen auf der Ehrgeiz-Liste. Schulischer Erfolg oder gute Noten eher weniger.
Wie wichtig der Schulerfolg in der weiterführenden Schule ist, das wissen Eltern sehr genau. Bei zu schlechten Noten droht die Querversetzung, also die Abstufung in eine andere Schulform. Oder das Sitzenbleiben. Wenn ein Teenager in seiner Schulform intellektuell überfordert ist, mag ein Wechsel sinnvoll sein. Bringen kluge Kinder jedoch plötzlich nur noch schlechte Noten nach Hause, liegt die Ursache meistens nicht am fehlenden Potenzial. Jungen und Mädchen in der Pubertät verlagern ihre Schwerpunkte – und nur selten belegt der Schulerfolg dabei eine Spitzenposition.
„Du lernst nicht für die Schule, sondern für’s Leben“
Toller Spruch, stimmt auch, interessiert Jugendliche aber überhaupt nicht. Der Appell an eine weit entfernte Zukunft erreicht Teenager nicht. Sie sind so intensiv mit dem Umbau ihres Körpers und den vielen, daraus resultierenden Folgen beschäftigt, dass sie oft nicht weiter als bis zum nächsten Tag denken. Alle Versuche in diese Richtung können Sie sich sparen. Ihr Kind wird bestenfalls darüber lachen, vermutlich schafft es dieser Hinweis aber nicht mal bis in sein aktives Bewusstsein. Auch die folgenden Sätze sind in der Regel sinnlos.
5 No-Gos beim Versuch, den Ehrgeiz zu wecken
- Ich habe mich auch in der Schule hängen lassen, das bereue ich noch heute.
(„Na und? Was hat das mit mir zu tun?“) - Wenn du dich jetzt anstrengst, zahlt sich das später für dich aus.
(„Kein Interesse. Um Musiker zu werden, brauche ich kein Abi.“) - Was sollen deine Freunde von dir denken, wenn du immer schlechte Noten hast?
(„Meine Freunde? Die haben doch dieselben Noten.“) - Sei doch ein Vorbild für deine jüngeren Geschwister und strenge dich mehr an.
(„Habe ich die Kinder bekommen? Ihr habt sie doch in die Welt gesetzt, also müsst ihr Vorbilder sein.“) - Zeige deinem Lehrer, dass mehr in dir steckt.
(„Ich bin doch kein Baby mehr. Ich weiß selber, was in mir steckt.“)
Pubertierende fühlen sich grundsätzlich missverstanden
Außerdem widerstrebt es ihnen, von ihren Eltern Tipps und Ratschläge anzunehmen. Jugendliche denken, dass sie schon fast erwachsen sind. Sie wollen selber über ihr Leben bestimmen. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob und wann sie sich in der Schule anstrengen. Es ist also unglaublich schwer, beim eigenen Kind Ehrgeiz zu wecken, wenn es in der Pubertät ist. Auf keinen Fall gelingt dies mit fadenscheinigen Vergleichen oder dem Hinweis auf eine entfernte Zukunft, die nichts mit dem Alltag des Kindes zu tun hat. Wie kann es Ihnen also gelingen, Ihren unkonzentrierten, gelangweilten, müden und desinteressierten Jugendlichen zu einem ehrgeizigen Schüler zu verwandeln? In den meisten Fällen gar nicht, das Ziel ist einfach zu hoch gesteckt. Trotzdem gilt es, die „Null-Bock-Phase“ während der Pubertät zu überbrücken und zumindest ein geringes Maß an Ehrgeiz für die Schule zu wecken. Genug, um die kritischen Jahre zu überstehen.
Mein Tipp: Eigene Erwartungen reduzieren & kleine Schritte gehen
Natürlich wollen Sie nur das Beste für Ihr Kind, unbestritten. Aber anstatt auf Fernziele wie guter Schulabschluss, Disziplin beim Lernen und ein klares Bild für die Zukunft zu setzen, sollten Sie in der Pubertät „lockerlassen“. Geben Sie Ihrem Teenager Raum, sich zu entwickeln. Der Ehrgeiz kommt später wie von selbst, wenn Ihrem Kind klar geworden ist, welchen Beruf es ergreifen möchte. Doch dieses Ziel liegt bei vielen Jugendlichen noch in weiter Ferne. Allerdings können Sie Ihr Kind dabei unterstützen, seine Ziele zu finden.
Ehrgeiz wecken Tipp 1: greifbare Ziele
Sobald ein Jugendlicher das Gefühl hat, das Erreichen eines Zieles sei nur mit großer Mühe zu erreichen, resigniert er und verliert jegliche Motivation, sich dafür anzustrengen. Ehrgeiz kann nur entstehen, wenn das Kind überzeugt davon ist, ein Ziel mit vertretbaren Anstrengungen erreichen zu können. Je konkreter diese Anstrengungen sind, desto positiver und optimistischer kann der Teenager sein.
Beispiel:
Tobias (13 Jahre, 7. Klasse) ist dauergenervt von der Schule. Besonders Mathe bereitet ihm Probleme, weil er inzwischen große Lücken hat. Für die nächste Klassenarbeit zu lernen erscheint ihm sinnlos, zu viel müsste er aufholen. Wie groß das Defizit inzwischen ist, möchte er gar nicht wissen. Auch seinen Eltern verschweigt er, wo das eigentliche Problem liegt. Viel einfacher fällt es Tobias zu behaupten, Mathe sei doof und er wollte sowieso beruflich überhaupt nichts mit Zahlen machen.
Lösungsversuch der Eltern von Tobias:
Nach einem Gespräch mit der Schule wird den Eltern klar, dass Tobias sehr große Lücken in Mathematik hat. Sie sehen ein, dass ihr Sohn im laufenden Schuljahr mit Nachhilfe gerade noch eine 4 auf dem Abschlusszeugnis erreichen kann. Sie reduzieren ihre Erwartungen. In einem offenen Gespräch bieten sie ihrem Sohn an, Nachhilfe für die Dauer des laufenden Schuljahres zu finanzieren. Dabei machen sie klar, dass Tobias die Förderung ernst nehmen muss und als Ziel die 4 in Mathe auf dem Abschlusszeugnis Konsens ist. Nur unter dieser Bedingung sind sie bereit, Geld für Nachhilfe auszugeben. Die Eltern und Tobias einigen sich. Tobias hat nun drei Monate lang die Chance, seine Note in Mathematik zu verbessern. Das Ziel scheint ihm erreichbar, er hat wieder Hoffnung auf Erfolg und nutzt das Angebot seiner Eltern.
Weiteres Vorgehen:
Tobias’ Eltern sind konsequent. Sie überprüfen, ob ihr Sohn seine Chancen nutzt und die außerschulische Unterstützung annimmt. Sobald sich herausstellen sollte, dass Tobias den Nachhilfeunterricht nicht besucht, werden sie die Unterstützung einstellen. Dann muss Tobias mit Konsequenzen rechnen, auch von Seiten der Eltern, und eventuell die 7. Klasse wiederholen.
Ehrgeiz wecken Tipp 2: Vorbild finden
Vorhaltungen und Kritik kommen bei Jugendlichen gar nicht gut an. Ganz wichtig in der Zeit des Heranwachsens ist es herauszufinden, wer man selber ist. Das funktioniert aber nur, wenn die Jugendlichen viele Anregungen und tolle Vorbilder haben. Die Konzentration auf schulische Themen, der tägliche Stress und der Leistungsdruck helfen dabei nicht weiter. Viel wichtiger ist es, das Interesse und die Neugier der Teenager an den vielfältigen Aspekten des Lebens zu wecken. Auf diesem Weg entdecken sie Interessen, für die es sich lohnt, sich anzustrengen. Das wirkt sich auch positiv auf die Schule aus.
Beispiel:
Julia ist 13 Jahre und geht in die 8. Klasse. Sie hat das Reden mit ihren Eltern eingestellt, Kommunikation besteht zurzeit nur aus Vorwürfen und Rückzug. Auch für die Schule interessiert sie sich nicht, entsprechend sind ihre Noten immer schlechter geworden. Sie überlegt, nach der 9. Klasse abzugehen und eine Ausbildung zu beginnen. Nach wie vor ist sie eine begeisterte Reiterin und nimmt regelmäßig Reitunterricht bei einer Lehrerin, die sie sehr bewundert.
Lösungsversuch der Eltern von Julia:
Die Eltern nehmen Kontakt zur Reitlehrerin auf und schildern das Problem. Diese erklärt sich bereit, mit Julia über die Schule zu sprechen. Tatsächlich öffnet sich die Jugendliche gegenüber ihrer Reitlehrerin und erzählt, dass sie die Schule nur noch anödet. Am liebsten würde sie abgehen und eine Ausbildung, „irgendwas mit Pferden“ machen. Ein wunderbarer Ansatzpunkt, um über die Voraussetzungen für eine Ausbildung zu sprechen. Die Reitlehrerin schildert ihren eigenen Berufsweg und verdeutlicht Julia, dass ein guter Schulabschluss wichtig ist, um überhaupt Aussicht auf einen Ausbildungsplatz zu haben. Außerdem bietet sie ihr ein Praktikum an, um in das Berufsfeld einmal „reinzuschnuppern“.
Weiteres Vorgehen:
Julia macht in den Sommerferien ein 2-wöchiges Praktikum im Reitstall. Die harte Arbeit, das frühe Aufstehen und der geringe Lohn in diesem Beruf lassen sie nachdenklich werden. Sie entscheidet, die Schule doch wieder etwas ernster zu nehmen, um später mehr Auswahl beim Beruf zu haben.
Realistische Ziele sind wichtig für den Ehrgeiz
Bei diesen beiden Jugendlichen wird sehr schön deutlich, dass ihnen realistische Ziele im Leben gefehlt haben. Tobias hat verstanden, dass seine Eltern ihre Erwartungen bezüglich seiner Noten nach unten korrigiert haben. Der Nachhilfeunterricht ist für ihn eine Chance, seine Mathematiknoten wieder zu verbessern. Gelingt ihm die Note vier, muss er die Klasse nicht wiederholen. Das ist ein starker Anreiz für den Teenie und ein realistisches Ziel.
Auch Julia hat durch das Praktikum (ein Realitätscheck) mehr Klarheit bezüglich ihrer Zukunft gewonnen. Das verständnisvolle Coaching ihrer Reitlehrerin hat dazu geführt, ihre schulische Laufbahn noch einmal zu überdenken.
So wecken Sie den Ehrgeiz Ihres Kindes
- unrealistische Ziele aufgeben
- Druck reduzieren
- Ziele an den Interessen des Kindes orientieren
- einen Coach oder ein Vorbild einbinden
- kurzfristig erreichbare Ziele gemeinsam mit den Jugendlichen besprechen
- indirekt loben, Leistungen anerkennen
Mein Tipp: Indirekt loben
Jugendliche finden es peinlich, von ihren Eltern wie ein kleines Kind gelobt zu werden. Trotzdem bedeutet ihnen die Anerkennung viel und weckt den Ehrgeiz, etwas noch besser zu machen. Versuchen Sie Ihr Lob geschickt zu verpacken. Erzählen Sie Ihrem Teenager beispielsweise, dass sich Ihr Partner (Vater, Mutter, Lebensgefährte) stolz über seine Leistungen geäußert hat. Darauf muss Ihr Kind nicht direkt reagieren und kann so das Lob besser annehmen.