Frustrationstoleranz: So lernt Ihr Kind, Stress, Frust und Langeweile auszuhalten
Wenn Kinder durch eine Vier in der Mathe-Arbeit in tiefe Trauer gestürzt werden, beim Fußball das Gegentor nicht verkraften oder den Klavierunterricht nach drei Übungsstunden abbrechen, könnte eine niedrige Frustrationstoleranz die Ursache sein. Schwierige Situationen anzunehmen und durchzustehen, ist nicht jedermanns Sache. Doch wer schon früh Probleme beim „Durchbeißen“ hat, könnte auch später zu einem klassischen „Abbrecher“ in Studium oder Ausbildung werden. Ich zeigen Ihnen, was Ihr Kind braucht, um seine Frustrationstoleranz zu verbessern.
Starke Eltern, starkes Kind
Sind unsere Kinder weichgespült, überbehütet und/oder verwöhnt? Wird ihnen jeder Wunsch von den Augen abgelesen? Müssen sie sich nicht mehr anstrengen, um ein Ziel zu erreichen? Eine Tendenz zur Überversorgung der eigenen Kinder ist bei vielen Familien vorhanden. Die Absicht hinter diesem Erziehungsmodell ist lobenswert, aber häufig kontraproduktiv. Die Sorge um das Wohlergehen und die Zukunft der eigenen Kinder führt nicht immer zu guten Erziehungskonzepten. Aus Angst der Eltern, etwas zu verpassen, bekommen manche Kinder mehr Chancen, als sie nutzen können. Oft fehlt ihnen auch die persönliche Reibung, die Anstrengung, die Aktivierung ihrer Potenziale, die so nicht entfaltet werden. Das Überangebot an elterlicher Fürsorge, Freizeitspaß und Unterstützung in allen Lebensbereichen kann dazu führen, dass Kinder immer nur den Weg des geringsten Widerstands wählen. Persönliche Anstrengung, kontinuierliches Üben, regelmäßiges Training oder phasenweises, intensives Lernen vermeiden solche Kinder.
Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen“
Wer hat diesen plakativen Satz nicht schon mal gehört? Zu Recht hat es die Aussage hinter den charmanten Worten nach ganz oben in der Sprüche-Hierarchie geschafft und prangt zurzeit auf vielen Verkaufsartikeln. Übersetzt könnte die Zeile auch „Frustrationstoleranz“ heißen, denn um nichts anderes geht es hier. Allerdings kann nur der das Aufstehen und Weitergehen üben, der hingefallen ist. Und am Hinfallen mangelt es vielen Kindern. Übertragen kann das Hinfallen bedeuten:
- auch mal beim Spielen verlieren
- einen Wunsch abgeschlagen bekommen oder einige Zeit darauf warten müssen
- warten zu müssen, bis die Eltern Zeit haben; Gespräche nicht zu unterbrechen
- gemeinsame Unternehmungen nicht zu dominieren, sich den Wünschen anderer anpassen
- aufgrund des Alters etwas nicht dürfen (WhatsApp, Computerspiel, Kino) und das akzeptieren
- eine schlechte oder ungerechte Note bekommen und trotzdem für die nächste Arbeit wieder lernen
- etwas nicht gleich können (Rad fahren, Instrument spielen) und es weiter üben
Kinder müssen Misserfolge erleben und überwinden
Natürlich geht es nicht darum, Kinder immer wieder auszubremsen, zu frustrieren und verlieren zu lassen. Erfolgserlebnisse müssen auch sein, sonst verschwindet die Motivation. Die Extreme, immer gewinnen oder ständig verlieren, sind schlecht. Das Ziel in der Erziehung sollte der Mittelweg sein: mal gewinnen, mal verlieren. Besonders beim Spielen kann die Frustrationstoleranz schon früh trainiert werden, doch dazu müssen Eltern oder Großeltern aktiv werden.
Frustrationstoleranz beim Spielen trainieren
Durch das Überangebot an digitalen Spielwelten, Filmen und Beschäftigungsmöglichkeiten gibt es für viele Kinder keinen Grund mehr, sich mit einer schwierigen Sache, etwa einem komplizierten Spiel, intensiver zu beschäftigen. Sobald sie sich langweilen, weil etwas nicht klappt, können sie ihr Betätigungsfeld problemlos wechseln.
Beispiel:
Jacob und Paul haben von ihren Großeltern das Brettspiel „Die drei ??? – das verfluchte Schloss“ ge – schenkt bekommen und packen es neugierig aus. Die beiden zehnjährigen Cousins sind Fans der Hörspiele und freuen sich auf das Spiel. Neugierig blättern sie in der Spielanleitung, die sie jedoch nicht auf Anhieb verstehen. Jacob beginnt die Figuren ohne Anleitung aufzubauen, doch der Spielsinn erschließt sich den beiden nicht. Nach fünf Minuten geben sie bereits auf, schnappen sich ihre Smartphones und spielen damit. Das Spiel landet in der Ecke und wird nie wieder ausgepackt.
Wer einmal schnell aufgibt, tut das immer wieder
Das Verhalten der beiden Jungen ist kein Einzelfall, denn immer mehr Kinder geben schnell auf. Nicht nur auf das Spielen, sondern auch auf das Lernen lässt sich dieses Verhalten übertragen. Wenn Jacob und Paul es nicht schaffen, eine altersentsprechende Spielanleitung zu verstehen, bringen sie vermutlich auch nicht genug Geduld auf, um ein anspruchsvolles Kinderbuch zu lesen oder eine schwierige Textaufgabe zu verstehen.
Lösung:
Als die Großeltern bemerken, dass die beiden Jungen das Spiel ungenutzt zur Seite gelegt haben, fragen sie nach. Gemeinsam beschäftigen sich Großeltern und Enkel mit der Spielanleitung und verstehen nach kurzer Zeit, um was es geht. Nachdem die Anleitung begriffen wurde, folgt eine gemeinsame Spielerunde, bei der alle viel Spaß haben. Anschließend kennen die Jungen das Spielprinzip und können nun allein weiterspielen. Eine lehrreiche Erfahrung, denn hier haben die Kinder erlebt, dass es sich lohnt, nicht gleich aufzugeben. Durch die Unterstützung der Großeltern können sie an dem Spiel noch oft Freude haben.
Frustrationstoleranz ist auch in der Schule wichtig
Natürlich ist die Frustrationstoleranz der Schlüssel zum Erfolg in der Schule und im Berufsleben. Wer immer gleich aufgibt, kommt irgendwann nicht weiter. Es hilft Kindern also nicht, wenn Eltern ihnen alle Steine aus dem Weg räumen. Im Gegenteil: Wenn sie erst als Jugendliche oder junge Erwachsene bemerken: „Oh, mein Lehrer/Chef ist nicht so verständnisvoll wie meine Eltern“, ist es oft schon zu spät