Inhaltsangaben in Deutsch schreiben
Inhaltsangaben gehören zum Deutschunterricht wie das Einmaleins zur Mathematik. Spätestens ab der 7. Klasse wird das Verfassen dieser Aufsatzform intensiv trainiert. Dass Ihr Kind Inhaltsangaben schreiben kann, ist eine wichtige Voraussetzung für schriftliche Leistungen in allen folgenden Klassen und vielen anderen Unterrichtsfächern
Das Einmaleins des Inhaltsangaben-Schreibens
Fast jede Klassenarbeit, die auf einer Textgrundlage basiert, beginnt mit der Aufgabenstellung: „Fasse den Inhalt des Textes zusammen!“ Anschließend folgen meist weitere Fragen und Aufgabenstellungen zum Text sowie zu dem behandelten Unterrichtsstoff. In den höheren Klassen ist außerdem zunehmend die eigene Meinung des Schülers zum Text oder zu einem bestimmten Sachinhalt gefragt. Bei der zu bearbeitenden Textgrundlage kann es sich entweder um einen literarischen Text (z.B. eine Lektüre in Deutsch, Englisch, Französisch etc.) oder um einen Sachtext (z.B. in Geschichte, Erdkunde, Politik, Religion, Ethik, Biologie etc.) handeln.
Nur wenn Ihr Kind den Inhalt wiedergeben kann, hat es ihn auch verstanden!
Machen Sie den Test: Lassen Sie sich von Ihrem Kind, wann immer sich eine Gelegenheit bietet, den Inhalt eines gerade gelesenen Buches oder Buchkapitels, des letzten Kinofilms, des spannenden Hörspiels oder der Fernsehsendung von gestern Abend erzählen. Erst wenn Ihr Kind alle Zusammenhänge, alle zeitlichen und logischen Handlungsabläufe, alle Personen und Charaktere richtig verstanden hat, werden Sie auch seine Schilderungen nachvollziehen können. In der Schule ist dieses grundlegende Textverständnis die Voraussetzung für alle weiteren Aufgabenstellungen. Das richtige Wiedergeben von wichtigen Inhalten in eigenen Worten – genau das ist also eine Inhaltsangabe.
Allerdings mit einer Einschränkung: Die „echte“ Inhaltsangabe wird nicht „erzählt“. Sie ist auf keinen Fall eine spannende Nacherzählung, sondern eine kurze, knappe sowie vor allem nüchterne und emotionsfreie Textwiedergabe.
Aufbau und Inhalt einer Inhaltsangabe
Eine Inhaltsangabe informiert also kurz und sachlich über den Inhalt
- eines literarischen Textes (z. B. Gedichte, Erzählungen, Kurzgeschichten, Fabeln, Romane, Theaterstücke, Hörspiele, Fernseh- oder Kinofilme etc.) oder
- eines Sachtextes (z. B. (Zeitungs-)Berichte, wissenschaftliche oder informierende Texte, Reden etc.).
Die Einleitung
Die Einleitung einer Inhaltsangabe besteht aus einem Einleitungssatz. Dieser informiert über
- die Textsorte,
- den Titel,
- den Autor,
- das Thema und
- die Aussageabsicht.
(Beispiel: In der Kurzgeschichte „Geräusch der Grille – Geräusch des Geldes“ von Frederic Hetmann geht es um die Erkenntnis, dass verschiedene Menschen zwar gleich gut hören können, aber trotzdem nur das bewusst wahrnehmen, was sie zu beachten gelernt haben.)
Frederic Hetmann: Geräusch der Grille – Geräusch des Geldes |
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Eines Tages verließ ein Indianer die Reservation und besuchte einen weißen Mann, mit dem er befreundet war. In einer Stadt zu sein, mit all dem Lärm, den Autos und den vielen Menschen um sich – all dies war ganz neuartig und auch ein wenig verwirrend für den Indianer. Die beiden Männer gingen die Straße entlang, als plötzlich der Indianer seinem Freund auf die Schulter tippte und ruhig sagte: „Bleib einmal stehen. Hörst du auch, was ich höre?“ Der weiße Freund des roten Mannes horchte, lächelte und sagte dann: „Alles, was ich höre, ist das Hupen der Autos und das Rattern der Omnibusse. Und dann freilich auch die Stimmen und die Schritte der vielen Menschen. Was hörst du denn?“ „Ich höre ganz in der Nähe eine Grille zirpen“, antwortete der Indianer. Wieder horchte der weiße Mann. Er schüttelte den Kopf. „Du musst dich täuschen“, meinte er dann, „hier gibt es keine Grillen. Und selbst wenn es hier irgendwo eine Grille gäbe, würde man doch ihr Zirpen bei dem Lärm, den die Autos machen, nicht hören.“ Der Indianer ging ein paar Schritte. Vor einer Hauswand blieb er stehen. Wilder Wein rankte an der Mauer. Er schob die Blätter auseinander, und da – sehr zum Erstaunen des weißen Mannes – saß tatsächlich eine Grille, die laut zirpte. Nun, da der weiße Mann die Grille sehen konnte, fiel auch ihm das Geräusch auf, das sie von sich gab. Als sie weitergegangen waren, sagte der Weiße nach einer Weile zu seinem Freund, dem Indianer: „Natürlich hast du die Grille hören können. Dein Gehör ist eben besser geschult als meines. Indianer können besser hören als Weiße.“ Der Indianer lächelte, schüttelte den Kopf und erwiderte: „Da täuschst du dich, mein Freund. Das Gehör eines Indianers ist nicht besser und nicht schlechter als das eines weißen Mannes. Pass auf, ich will es dir beweisen!“ Er griff in die Tasche, holte ein 50-Cent-Stück hervor und warf es auf das Pflaster. Es klimperte auf dem Asphalt, und die Leute, die mehrere Meter von dem weißen und dem roten Mann entfernt gingen, wurden auf das Geräusch aufmerksam und sahen sich um. Endlich hob einer das Geldstück auf, steckte es ein und ging seines Weges. „Siehst du“, sagte der Indianer zu seinem Freund, „das Geräusch, das das 50-Cent-Stück gemacht hat, war nicht lauter als das der Grille, und doch hörten es viele der weißen Männer und drehten sich danach um, während das Geräusch der Grille niemand hörte außer mir. Der Grund dafür liegt nicht darin, dass das Gehör der Indianer besser ist. Der Grund liegt darin, dass wir alle stets das gut hören, worauf wir zu achten gewohnt sind.“ |
Dieses und alle folgenden Beispiele beziehen sich auf die Kurzgeschichte Frederic Hetmann: Geräusch der Grille – Geräusch des Geldes
Unsere Tipps:
- Auch wenn der Einleitungssatz am Anfang der Inhaltsangabe steht, sollte Ihr Kind diesen Satz erst am Schluss seiner Überlegungen formulieren, also dann, wenn es das eigentliche Thema und die Aussageabsicht des Textes für sich erschlossen hat.
- Fällt es Ihrem Kind schwer, das Thema und eine eindeutige Aussageabsicht für einen Text zu formulieren, ist es sinnvoll, auf alle Fälle den Schluss bzw. den Ausgang einer Geschichte gleich zu Beginn wiederzugeben. Das Thema und die Aussageabsicht einer Geschichte sind ohnehin in der Regel eng an den Ausgang der Geschichte gebunden, außerdem vermeidet Ihr Kind so, Spannung aufzubauen.
Der Hauptteil
Bei literarischen Texten sollte die Inhaltsangabe nun Informationen enthalten über …
- die handelnden Personen und in welcher Beziehung sie zueinander stehen (Beispiel: Ein Indianer besucht einen weißen Mann; die Männer sind befreundet),
- die Handlungsorte und Handlungszeiten (Beispiel: Der Indianer lebt in einem Reservat. Er besucht eines Tages seinen Freund in der Stadt. Die Männer gehen an einer belebten Straße entlang),
- den Ablauf und Inhalt der Handlung (Beispiel: Der Indianer hört eine Grille, der weiße Freund nicht. Der Indianer findet die Grille, der weiße Freund nimmt an, dass Indianer ein besseres Gehör haben. Der Indianer wirft eine Münze auf den Boden, mehrere Passanten reagieren auf dieses ebenfalls leise Geräusch. So beweist der Indianer seinem Freund, dass Indianer und weiße Menschen zwar gleich gut hören können, aber bewusst nur das wahr nehmen, was sie zu beachten gelernt haben),
- die Erzählperspektive (Beispiel: Die Kurzgeschichte wird von einem personalen Erzähler erzählt).
Bei Sachtexten sollte die Inhaltsgabe Informationen über die wesentlichen Aussagen zum Thema enthalten (beispielsweise zum Thema „Gewalt in den Medien“: wissenschaftliche und statistische Daten, Altersstruktur der Konsumenten, Ergebnisse psychologischer Gutachten etc.).
Unser Tipp: Den Inhalt des Textes sollte Ihr Kind am besten in zeitlicher und logischer Reihenfolge wieder geben. Auf diese Weise kann es sich am besten am Text „entlanghangeln, ohne wichtige Zusammen hänge zu übersehen“. Bei Texten mit nicht chronologischer Zeitstruktur – zumeist sind das längere Texte wie Romane, Erzählungen oder Theaterstücke muss Ihr Kind sowohl den zeitlichen als auch den logischen Ablauf der Geschichte erst genau prüfen und ordnen, bevor es seine Inhaltsangabe zu schreiben beginnt.
Der Schluss
Je nach Absprache mit dem Fachlehrer kann es sein, dass Ihr Kind am Ende seiner Inhaltsangabe noch seine eigene Meinung zur Geschichte äußern soll bzw. darf. Das ist aber nicht zwingend notwendig und muss daher mit dem Lehrer abgesprochen sein.
Sprachliche Regeln und Hilfen
Da die Sprache einer Inhaltsangabe knapp und sachlich ist, sollte Ihr Kind folgende sprachliche Elemente berücksichtigen:
- Inhaltsangaben werden grundsätzlich im Präsens (Gegenwartsform) verfasst! Werden jedoch Ereignisse beschrieben, die vor der eigentlichen Handlung liegen, so muss Ihr Kind das Perfekt benutzen.
- Um sachlich und neutral zu bleiben, sollte Ihr Kind weder eigene Ansichten noch seine eigene Meinung äußern (Ausnahme am Schluss, wenn es vom Lehrer erwartet wird, siehe oben). Schmückende Adjektive (z . B. wundervoll, zerbeult, rosarot) und Spannung erzeugende Verben (z. B. rasen, keuchen, schleichen) gehören daher auch nicht in eine Inhaltsangabe.
- Um die Zusammenhänge der Textinhalte unmissverständlich darstellen zu können, sollte Ihr Kind Zeitadverbien und Konjunktionen benutzen. Anstelle von „und dann …und dann…und dann“ setzen z. B. Zeitadverbien wie früher, gestern, heute, später, morgen, danach, nachdem, als, weil, während, dann etc. deutlichere Signale.
- Den Inhalt des Textes muss Ihr Kind mit seinen eigenen Worten wiedergeben. Es darf also keine Formulierungen aus dem Text wörtlich übernehmen. Dann würde es sich um ein Zitat handeln.
- Wörtliche Äußerungen von Personen werden in der indirekten Rede wiedergegeben oder mit eigenen Worten umschrieben. Auch hier ist Zitieren nicht erlaubt.