Jedes Kind ist anders: Strategien für unterschiedliche Lerntypen

Jeder Mensch ist anders und so lernt auch jeder Mensch über seinen eigenen Wahrnehmungskanal unterschiedlich gut. Der Hinweis, welche Wahrnehmungen Ihr Kind beim Speichern von Lerninhalten bevorzugt, ist wichtig für die Wahl der geeigneten Lernstrategien. Lesen Sie hier, welche verschiedenen Strategien für die jeweiligen Lerntypen besonders geeignet sind. 

Inhaltsverzeichnis

Lernstrategien und Lerntypen

Im Folgenden finden Sie zahlreiche Ideen und Hilfestellungen, wie die jeweiligen Wahrnehmungskanäle beim Lernen sinnvoll genutzt, aber auch zugleich trainiert werden können. Betrachten Sie zuerst den Lerntyp, der Ihrem Kind am meisten entspricht. Mit unserem Test können Sie übrigens herausfinden, welcher Lerntyp Ihr Kind ist!

1. Strategie: Für starke Seher

Der starke Seher schaut gerne Bilder, Illustrationen oder Grafiken an, um Sachverhalte zu verstehen. Er lernt am besten durch das genaue Beobachten von Handlungsabläufen. Ein angenehmes Lern- und Arbeitsumfeld sowie Ordnung und Regeln sind für ihn wichtig – visuelle Reize und Unordnung können ihn leicht ablenken. Ist Ihr Kind ein starker Seher, dann könnte es

  • Skizzen, Schaubilder, Zeitleisten etc. anfertigen, wichtige Wörter bzw. Inhalte mit verschiedenen Farben unterstreichen,
  • Mindmaps erstellen, die einen komplexen Lernstoff übersichtlich und in Form eines Bildes darstellen,
  • Filme und Bilder zum Lernstoff (zum Beispiel in Büchern, Zeitschriften, Internet etc.) suchen,
  • sich immer wieder einen Gesamtüberblick über den Lernstoff verschaffen (in welchem größeren Zusammenhang steht das aktuelle Thema?),
  • sich den Lernstoff vor dem inneren Auge vorstellen.

Beispiel „Mathe“: Lösen von Knobelaufgaben

Der starke Seher benötigt eine genaue Vorstellung von der Aufgabe. Erst wenn alle Zusammenhänge deutlich geworden sind, kann gerechnet werden. Um diesen wichtigen Überblick zu erhalten, kann Ihr Kind die Aufgabe wie einen Film vor dem inneren Auge ablaufen lassen. Um sicherzugehen, dass Ihr Kind die Aufgabenstellung verstanden hat, sollte es die „Handlung“ mit eigenen Worten erklären können. Zusätzlich sollten starke Seher immer eine Skizze anfertigen, um sich die Aufgabe zu verdeutlichen.

Strategie-Tipp: „Mindmapping“

Für starke Seher (und Leser!) hervorragend geeignet ist die Technik des Mindmappings. Mit dieser Technik kann Ihr Kind komplexe Inhalte (z. B. Lernstoff für eine Klassenarbeit oder Inhalte von längeren Texten) auf wesentliche Stichwörter reduzieren und zugleich bildlich darstellen.

Mindmaps sind sogenannte Wort-Bild-Einheiten, mit denen Ihr Kind Lernstoff sowohl überblickartig als auch detailgenau darstellen kann. Bereits in dem Moment, in dem Ihr Kind eine Mindmap (z. B. zum Thema „Gotik“) fertiggestellt hat, sind die Lerninhalte in seinem Gedächtnis weitestgehend gespeichert.

2. Strategie: Für starke Leser

Der starke Leser erinnert sich besonders gut an das, was er gelesen hat. Auch er lässt sich – wie der starke Seher – leicht durch Unordnung und Störungen ablenken. Neben einer angenehmen Lernatmosphäre liebt er Tafelbilder und schriftliche Aufzeichnungen. Er kann sich über gut gegliederte Texte schnell einen Überblick verschaffen.

Ist Ihr Kind ein starker Leser, dann könnte es

  • das Wesentliche im Text mit farbigen Unterstreichungen markieren,
  • komplizierte Texte auf wichtige Stichwörter verkürzen,
  • selbst formulierte Merk- und Regelsätze notieren,
  • Merktexte oder Zusammenfassungen auf dem Computer mit gut lesbarer Schrift schreiben,
  • Mindmaps erstellen, die einen komplexen Lernstoff übersichtlich und in Form eines Bildes darstellen.

Beispiel „Politik, Erdkunde, Ethik etc.“: Lesen von Sachtexten

In fast allen Unterrichtsfächern hat es Ihr Kind mit Sachtexten zu tun. Arbeitszettel, Texte aus Büchern, Zeitungen oder dem Internet dienen als Grundlage der Wissensvermittlung. Ist Ihr Kind ein starker Leser (oder möchte es das noch werden!), können ihm die folgenden Schritte zum strukturierten Lesen und Erarbeiten von Sachtexten sicher weiterhelfen:

Schritt 1: Ersten Überblick verschaffen.

Die Überschrift, die Untertitel, die ersten und die letzten Sätze besonders genau lesen, optische Hervorhebungen beachten (z.B. fett oder kursiv gedruckte Wörter etc.).

Schritt 2: Text in Sinnabschnitte einteilen.

Wann endet ein Gedanke/eine Information, wann beginnt inhaltlich etwas Neues?

Schritt 3: Wichtiges farbig unterstreichen und in Schlüsselwörtern zusammenfassen.

Am besten findet Ihr Kind eigene Zwischenüberschriften oder Stichwörter für die einzelnen Sinnabschnitte (z. B. Bau des Staudamms schafft Arbeitsplätze, Umsiedlung der Bevölkerung, Konsequenzen für die Natur etc.). Auch starke Leser können diese Informationen in einer Mindmap visualisieren.

Schritt 4: Wichtige W-Fragen beantworten.

Um alle Textinhalte richtig zu erfassen, sollte Ihr Kind die folgenden Fragen aus dem Text heraus beantworten:

  • Wer redet, berichtet…? (Frage nach dem Autor)
  • Was wird erklärt, erläutert? (Frage nach dem Inhalt)
  • Wo ist etwas Wichtiges passiert? (Frage nach Orten)
  • Wann ist etwas Wichtiges passiert? (Frage nach Daten und Zeiten)
  • Wie erzählt der Autor? (Frage nach der sprachlichen Gestaltung)

Strategie-Tipp: „Karteikarten“

Eine hervorragende Lerntechnik für gute Leser ist das Arbeiten mit Karteikarten! Zur Vorbereitung einer Klassenarbeit oder als Redegrundlage für ein Referat sind Karteikarten beispielsweise prima geeignet. Ob Fakten in Erdkunde, politische Meinungen oder historische Ereignisse: Wichtig ist, dass die Karteikarten richtig beschriftet werden.

  • Vorne: Schlüsselwort (z. B. Belo-Monte-Staudamm)
  • Hinten: passende Infos (z. B. Nord-Brasilien, Amazonasgebiet, drittgrößter Staudamm der Erde, Fertigstellung 2015 etc.). Zusätzlich können die einzelnen Informationen farbig oder durch kleine Skizzen hervorgehoben werden.
  • Wenn Ihr Kind mit einem richtigen Karteikastensystem arbeiten möchte, kann es sich auf unserer Interentseite www.elternwissen.com/elternwissenservice/gratis-downloads.html kostenlos eine Anleitung für die Lernkartei herunterladen.

Mit Karteikarten eine eigene Regelkartei anlegen

Das Gedächtnis Ihres Kindes kann Regeln besonders gut behalten, wenn es diese Regeln mit eigenen Worten selbst formuliert hat! Vorformulierte Grammatik- oder Rechtschreibregeln, ob in Deutsch oder Englisch, sind für Schüler hingegen oft unverständlich und nur schwer zu behalten. Sinnvoll ist es daher, wenn Ihr Kind versucht, eine eigene Regel-Kartei anzulegen. Vorne auf die Karteikarte schreibt Ihr Kind dann die Regel mit Erklärung und hinten ein passendes Beispiel. 

3. Strategie: Für starke Hörer

Der starke Hörer lernt am besten, wenn er den Lernstoff selbst laut vorliest oder einem anderen beim Vorlesen oder Vortragen zuhört. Er kann sehr gut auswendig lernen, indem er den Text laut spricht oder zum Beispiel von einer Kassette hört. Durch störende Geräusche oder auch Musik beim Lernen lässt er sich leicht ablenken.

Ist Ihr Kind ein starker Hörer, dann könnte es

  • den Lernstoff, wie zum Beispiel Vokabeln oder Gedichte, auf Kassette oder MP3-Player aufnehmen und anschließend abhören,
  • während des Lernens laut lesen und mitsprechen,
  • mit Freunden lernen, sich den Lernstoff gegenseitig erklären,
  • sich gegenseitig abfragen,
  • sich Audio-CDs zum aktuellen Lernstoff besorgen.

Beispiel Fremdsprachen: Vokabeln lernen

Gehört Ihr Kind zu den guten Hörern bzw. möchte es seine Wahrnehmung über das Hören verbessern, dann sollte es die folgenden Tipps zum Vokabellernen ausprobieren:

  • Vokabel auf MP3 aufnehmen. Nicht jede Vokabel, sondern nur diejenigen, die einfach nicht im Gedächtnis hängen bleiben wollen, kann sich Ihr Kind auf diese Weise immer wieder anhören.
  • Vokabeltrainer mit Audio-Dateien. Passend zum Schulbuch Ihres Kindes gibt es spezielle Angebote für Vokabeltrainer mit Audio-Dateien. Hier kann Ihr Kind nach dem Karteikastenprinzip Vokabeln lernen, dabei die Vokabel hören und so zusätzlich seine Aussprache überprüfen.
  • Vokabel-Geschichten erzählen. Aus z. B. zehn Vokabeln, die sich Ihr Kind nie merken kann, kann es eine zusammenhängende Geschichte erfinden und diese immer wieder laut erzählen. Da Geschichten wie ein Film vor dem inneren Auge ablaufen, ist hier neben dem Hören auch die Wahrnehmung des Sehens am Lernprozess beteiligt.

Strategie-Tipp „Lernen mit Freunden“

Grundsätzlich ist es für gute Hörer (und solche, die es werden wollen) sinnvoll, zusammen mit Freunden bzw. Klassenkameraden zu lernen und sich dabei gegenseitig den Lernstoff zu erzählen. Das hat viele Vorteile – vorausgesetzt, es wird wirklich gelernt. Denn beim Zuhören, vor allem aber bei eigenen Erklärungen, merkt Ihr Kind sofort, was es noch nicht verstanden oder behalten hat.

4. Strategie: Für starke Fühler

Der starke Fühler lernt am besten, wenn er Handlungsabläufe selbst durchführen und auf diese Weise nachvollziehen kann. Für ihn ist es wichtig, am Lernprozess unmittelbar beteiligt zu sein und durch Ausprobieren selbst Erfahrungen zu sammeln. Ist Ihr Kind ein starker Fühler, dann könnte es

  • Lernspiele spielen, wie zum Beispiel Brett-, Karten-, Würfelspiele etc.,
  • sich Lernmaterial zum Anfassen besorgen,
  • Modelle selbst basteln,
  • Experimente selbst noch einmal zu Hause nachstellen,
  • beim Lernen die Körpersprache (Mimik, Gestik, Sprachmelodie, Sprachrhythmus) einsetzen,
  • sich beim Auswendiglernen bewegen.

Beispiel „Deutsch“: Verstehen von literarischen Texten

Starke Fühler oder „Kinästheten“ lernen am besten über das Fühlen, Tasten und Bewegen. Den Lernstoff sprichwörtlich „begreifen“ ist ihre bevorzugte Art, sich Wissen anzueignen. Für das Annähern an literarische Texte (z. B. Kurzgeschichten, Erzählungen, Gedichte etc.) können solche Schülertypen versuchen, etwa über das Schauspiel einen Zugang zu den Gefühlen und Gedanken von Figuren zu finden. Wie schaut, bewegt, verhält sich z. B. ein verängstigter Junge, der nachts auf den zerbombten Resten seines Hauses wacht, damit die Ratten seinen toten Bruder unter den Trümmern nicht fressen? (nach Kurzgeschichte: „Nachts schlafen die Ratten doch“ von Wolfgang Borchert).

Neben der eigenen Körpersprache bietet beispielsweise auch die handwerkliche Tätigkeit des Malens Möglichkeiten, tiefer in literarische Texte einzutauchen. Mit welchen Farben lässt sich z. B. die freudige Aufbruchsstimmung des Jungen am Ende der Erzählung darstellen?

Strategie-Tipp „Basteln, Bauen, Ausprobieren“

Grundsätzlich bietet sich für diesen Lerntyp an, beim Lernen immer nach praktischen, handwerklichen oder bewegungsorientierten Möglichkeiten zu suchen. Beim Bauen eines Atom-Modells z. B. behält dieser Typ wesentlich mehr Informationen als beim Lesen eines Textes oder Anschauen eines Bildes im Buch. Oder um in Mathematik, Physik oder Chemie tatsächliche Vorstellungen etwa von Strecken, Zeiten, Umfang, Volumen, elektrischer Leitfähigkeit von Metallen etc. zu bekommen, muss dieser Lerntyp dies an praktischen Beispielen ausprobieren und z. B. Wege ablaufen, Behälter mit Wasser füllen, verschiedene Metalle selbst prüfen etc..

Spezial-Tipp für alle Lerntypen: Öfter mal ins Museum!

Wenngleich manche Schüler Museumsbesuche nur mit dem Pflichtprogramm an Wandertagen verbinden, lohnt es sich doch, auch als Familie am Wochenende oder in den Ferien hin und wieder nach spannenden Museen Ausschau zu halten! Denn modernen Museen gelingt genau das, was in der Schule im 45-Minuten-Takt oft kaum möglich ist – nämlich umfangreiches Wissen spannend und erlebbar für alle Sinne aufzubereiten. Auch wenn ein Museum oder eine Ausstellung natürlich nicht hundertprozentig zum aktuellen Lernstoff Ihres Kindes passt, so lernt und erlebt es im Museum viele Dinge, die ihm als wichtige Anknüpfungspunkte für neue und alte Lerninhalte dienen und es neugierig auf mehr machen.

Museums-Tipps:

  • Mathematikum Gießen: das erste mathematische Mitmach-Museum der Welt mit über 150 Exponaten (www.mathematikum.de).

    Universum Bremen: Das Universum Science Center ist der ungekrönte Star der Mitmach-Museen. Auf drei verschiedene Expeditionen durch die Wissensgebiete Erde, Mensch und Kosmos können Sie sich hier begeben (www.universumbremen.de).
  • Kinder-Akademie Fulda: Die Akademie ist ein „Fitnesscenter für die Sinne“, in dem Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 14 Jahren aktiv Phänomene aus Naturwissenschaft, Technik, Kunst und Kultur erleben bzw. erforschen können. Highlight in Fulda ist ein riesiges begehbares Kunstherz (www.kaf.de). Ähnliche Kinder-Akademien gibt es in vielen weiteren Städten. Weitere Kindermuseen finden Sie unter www.bv-kindermuseum.de.