Pubertät: Warum Freunde jetzt ausgesprochen wichtig sind!

Die Zeit des Übergangs zwischen dem achten und zwölften Lebensjahr stellt sich als eine Phase der Loslösung aus gewachsenen Strukturen und der Hinwendung zu Neuem dar. Was sich schon am Ende des Kindergartens andeutete, setzt sich mit Beginn des Schulalters und der Pubertät fort: Das Kind lockert die Abhängigkeit von den Eltern. Es stellt elterliche Autorität in Frage, reibt sich an Vater und Mutter und wendet sich Gleichaltrigen zu. 

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Einfluss von Freunden in der Pubertät

„Ich habe drei Freunde“, erzählt mir der zehnjährige Tim. „Der eine, der ist mein bester Freund…Aber der hat nicht immer Zeit. Und dann gehe ich zu einem der beiden anderen.“

„Ich finde meine Freunde toll“, erklärt der elfjährige Maximilian. „Da sind wir unter uns und machen Quatsch. Und reden nicht immer von der Schule.“ Er überlegt: „Meistens treffen wir uns auf dem Spielplatz. Da sind wir unter uns. Da sehen uns die Erwachsenen nicht.“

„Also“, berichtet die neunjährige Franziska, „ich hab eine beste Freundin, mit der mache ich alles zusammen. Und mit der kann ich auch über alles reden. Sogar über die blöden Jungen und so…Neulich wollte mich doch der Jan küssen…Das war blöd.“ Ihrer Mutter könne sie das nicht sagen: „Die fällt doch gleich in Ohnmacht!“

Mit der Pubertät werden für Ihr Kind nun andere heranwachsende Kinder und Jugendliche als Bezugspersonen zunehmend wichtig. Und vielen Eltern ist das durchaus ein Gräuel. Sie meinen, ihre Kinder geraten unter sonderbare Einflüsse, die dann nicht mehr zu kontrollieren, geschweige denn zu kompensieren sind.

Pubertierende suchen sich die „passenden“ Freunde

Tatsächlich wird die Familienerziehung durch den Einfluss der Gleichaltrigen nicht unbedingt leichter, finden Kinder doch mit einer unnachahmlichen Treffsicherheit die für sie passenden Freunde. Das sind meist diejenigen, die den Eltern nicht passen. Um es so zu formulieren: Wenn Kinder in einer Familie aufwachsen, in der es ausgesprochen höflich zugeht, in der man ein gewisses Kommunikationsverhalten pflegt, dann werden Freunde bedeutsam, die das Kind in die Fäkalsprache einführen: Aus der netten Mama wird die „blöde Kuh“, und an die Stelle von „Ja, bitte!“ tritt „Alles Scheiße!“. Und wenn Kinder in einer Familie groß werden, deren Alltag durch ein pädagogisch inspiriertes Vollwertprogramm geprägt ist, bei dem selbst während der Mahlzeiten noch Political Correctness herrscht, den Eltern die Vollwertbrötchen förmlich aus den Augen rollen, dann werden Freunde faszinierend, die Bounty und die Milchschnitte, die Burger King und McDonald’s für den Inbegriff der hohen Esskultur halten.

Gleichaltrige  Heranwachsende erziehen sich gegenseitig

Greifen Freunde erst einmal mit ihren Auffassungen in das elterliche Erziehungsgeschehen ein, dann ist bei Ihnen zu Hause nichts mehr, wie es einmal war. Und genau das ist wichtig, denn Gleichaltrige nehmen einen zentralen Raum in der gegenseitigen Erziehung und Entwicklung ein. Sie ersetzen Sie als Eltern zwar nicht, aber sie haben zwei wichtige Aufgaben:

  1. Sie relativieren elterliche Macht, ohne ihnen aber tatsächlich das Wasser abzugraben

    Eltern bleiben zentrale Bezugspunkte. Deshalb können Sie als Vater oder Mutter mit den Ansichten, die die Freunde Ihres Kindes in den Erziehungsalltag einbringen, souverän umgehen.
  2. Soziales Lernen vollzieht sich in gleichaltrigen Gruppen.

    Hier lernen die Heranwachsenden sich unter- und einzuordnen. Hier müssen sie sich behaupten und um die Gunst von anderen Gleichaltrigen buhlen, mit Frustrationen und Ablehnung, mit Trauer und Tränen fertig werden. So wichtig der Einfluss der Freunde sein mag, die Gruppe ist längst kein Ort von Glückseligkeit, Gleichberechtigung oder basisdemokratischer Harmonie.

Bei Gleichaltrigen geht es manchmal grob und gemein zu, deshalb sollte man sich davor hüten, die Gleichaltrigengruppe zu idealisieren. Dort wird nicht ständig geredet oder diskutiert, dort wird gehandelt. wenn der Achtjährige gegen den Zwölfjährigen aufbegehrt, dann wird er in die Schranken gewiesen. Und der Achtjährige lässt sich das gefallen, weil er weiß, in vier Jahren bin ich zwölf, und Achtjährige wachsen immer nach. Damit ist ein zentrales Moment des Lernens in der Gruppe umschrieben: Kinder lernen, verschiedene Rollen zu übernehmen – mal ordnen sie sich unter, dann begehren sie auf, in der nächsten Situation laufen sie wieder mit.

Es ist der Wechsel der Rollen – mal Akzeptanz der Hierarchie, mal Auflehnung, mal der Bestimmer sein, mal zum Mitläufer werden –, der die Freundesgruppe so interessant macht.

Gleichaltrige beeinflussen den Reifungsprozess Ihres Kindes

Auch wenn mir eine Idealisierung der Gleichaltrigengruppe fern liegt, unverkennbar sind doch die positiven Aspekte, die die Freundesgruppe für die soziale, moralische und emotionale Reifung der Pubertierenden hat:

  • Die Heranwachsenden lernen, sich mit verschiedenen Rollen auseinanderzusetzen: Mal sind sie Randfiguren, mal stehen sie im Zentrum, mal gehen sie intensiver, dann wieder lockere Beziehungen zu den Gruppenmitgliedern ein. Alles ist im Fluss. Und nebenbei erfahren sie, wie wichtig es ist, Frust auszuhalten, Bedürfnisse auch mal – und sei Es Wochen oder Monate – aufzuschieben.
  • Sie erwerben die Fähigkeit zur Kooperation. Das heißt, mal müssen sie sich durchsetzen, mal über sich bestimmen lassen. Sie lernen, was es heißt, Konkurrenz zu ertragen – und auszuhalten, dass andere etwas besser, schneller oder geschickter können.
  • In der Freundesgruppe lernt Ihr Kind neue Spiele, neue Spielformen kennen. Hier überwinden viele ihren Hang zu Einzelspielen und wenden sich verstärkt Gruppenspielen zu.



Mein Tipp: Bleiben Sie gelassen
Sortieren Sie die Freunde Ihres Kindes vor oder unterbinden Sie gar manche Freundschaften, dann greifen Sie nachhaltig in den Prozess des sozialen, des moralischen Lernens ein und behindern die Ausbildung einer autonomen Persönlichkeit. Deshalb: Reagieren Sie gelassen auf die Freundinnen und Freunde Ihres Kindes. Diese sind zwar wichtig für Ihr Kind, aber Sie sind und bleiben es auch!