Übungen zum Referat: So hilft Sprechdenken dabei!
Manchen Schülern wird die folgende Situation bestimmt bekannt vorkommen: In Absprache mit dem Lehrer hat sich Ihr Kind ein spannendes Referats-Thema überlegt. In der Vorbereitung hat es viel Schweiß vergossen, und am Tag des Referats geht es gut vorbereitet und nicht allzu nervös in die Präsentation. Alles läuft wie geschmiert, die Klasse scheint interessiert und dann …: Die Frage eines Mitschülers – und Ihr Kind hat keine schnelle Antwort parat! Plötzlich ist alle Selbstsicherheit dahin, Ihr Kind kann seinem Hirn förmlich beim Denken zuhören. Tatsächlich kann Ihr Kind solche Stegreifreden (und nichts anderes ist spontanes Sprachhandeln in unvorbereiteten Situationen) gut trainieren, sodass unbequeme Verständnisfragen der Klassenkameraden oder des Lehrers beim nächsten Referat nicht wieder zu Denkblockaden führen. Wie Sprechdenken genau funktioniert und welche Übungen dazu geeignet sind, es zu lernen, lesen Sie auf den folgenden Seiten.
Lern- und Arbeitstechniken
Erst denken, dann sprechen … So weit ist man sich allgemein einig, und falsch ist dieser Ratschlag auch ganz sicher nicht. Das Denken, das Fassen einer Idee, ist Grundvoraussetzung für das Sprechen, die Sprache bietet dann die Möglichkeit, sich und seine Gedanken anderen Menschen mitzuteilen. Doch in Bezug auf das Sprachhandeln muss man sich klarmachen, dass es sich dabei um zwei Prozesse handelt, die keineswegs linear und strikt getrennt voneinander, sondern vielmehr parallel zueinander ablaufen. Das Sprechen ist nicht einfach nur das Hörbarmachen eines Gedanken, sondern fördert gleichermaßen die Weiterentwicklung dessen, was uns im Kopf „sitzt“. Denn zu Beginn des Sprechens ist ein Gedanke oder eine Meinung keineswegs gänzlich ausgereift und ausgearbeitet. Sicher haben auch Sie bzw. Ihr Kind sich im Alltag schon in unzähligen Situationen dabei ertappen können, wie Sie gewissermaßen Selbstgespräche führen, also Ihre Gedanken halblaut vor sich hin murmeln. Das sind keineswegs eigentümliche Verrücktheiten oder Spleens, sondern entweder Gefühlsausbrüche (wer kann sich schon ein lautes „Aua!“ verkneifen, wenn er sich den Kopf gestoßen hat?) oder Versuche, die eigenen Gedanken zu strukturieren, in Beziehung zueinander zu setzen und zu einem klaren Ende zu bringen. Dabei kann es sich um das Strukturieren des Tagesablaufs handeln („zuerst mach ich Mathe – dann ist der Deutschaufsatz fällig – danach holt mich Malte zum Training ab – abends bin ich mit Theresa und Jenni im Kino verabredet“) oder um den Versuch, Lösungen für bestehende Probleme zu finden. Der Gedanke führt also zum Sprechen, das Sprechen entwickelt wiederum den Gedanken.
Die 3 Ebenen der Sprachproduktion
Stellen Sie sich das Sprechen als Produktionsgebäude mit drei Räumen vor. In jedem dieser drei Räume wird ein anderer „Sprech-Baustein“ produziert:
Raum 1: Konzeptualisierung
Im ersten Raum , dem „Raum der Konzeptualisierung“, entstehen Gedanken und Ideen über das, was man sagen möchte. Hier fasst man einen inhaltlichen Plan, eine Meinung oder einen Gedanken. Das Konzeptualisieren beschränkt sich allerdings nicht nur auf das, was man zum Besten ge ben will, sondern auch auf die Hörererwartung. Das, was Ihr Kind im Schulunterricht sagt, wird sich also bis zu einem bestimmten Punkt auch an dem orientieren, was der Lehrer gerne hören möchte.
Raum 2: Formulierung
Im nächsten Raum geht es nun darum, seine Gedanken in eine bestimmte Form zu bringen. In diesem „Raum der Formulierung“ befindet sich gewissermaßen ein riesengroßes und umfangreiches „mentales Lexikon“, aus dem man die geeigneten Begriffe selektiert und aktiviert. Genauer gesagt: Man sucht in diesem Lexikon nach passenden Begriffen, die die Dinge beschreiben, über die man sich mitteilen möchte. Handelt es sich dabei beispielsweise um ein Gebäude aus Holz, das auf einer Wiese steht und Tieren mit schwarzen Flecken, die Milch geben, Schutz bietet, müssen Sie erst einmal die Liste aller Gebäudebezeichnungen und Tiernamen „durchspielen“ und die adäquaten Begriffe auswählen. In diesem Raum findet man also Fragmente, die das Fundament für die späteren Sätze bilden. Diese Bausteine der Inneren Sprache sind lediglich Vorstellungen dessen, was man sagen will, aber in keinem Fall fertige, ausgefeilte und wohlgeformte Sätze. Wäre dem so und würde man in diesem Raum schon den ganzen Satz haarklein vorbereiten, deklinieren und konjugieren, würde das zu einer enormen (viel leicht auch ganz witzigen) Verzögerung im Redefluss führen. Stellen Sie sich an dieser Stelle ruhig einmal vor, wie unter solchen Voraussetzungen eine Kundenberatung im Kaufhaus oder gar eine Diskussion im Klassenraum Ihres Kindes aussehen würde. Wenn für jeden Redebeitrag erst ein Gedanke gefunden werden muss, den man dann auch noch Wort für Wort und komplett von vorne bis hinten in einem Satz der Inneren Sprache vorbereitet, um ihn danach erst zu artikulieren, würden 45 Minuten für eine Schulstunde wohl kaum ausreichen.
Raum 3: Artikulation
Haben Sie nun diese ersten beiden Räume hinter sich gelassen, betreten Sie den dritten und somit letzten Raum auf dem Weg zum fertigen Satz, den „Raum der Artikulation“. In diesem Raum müssen Sie nun das, was als Gedanke und in Form grober Textbausteine schon vorhanden ist, nur noch (mit Hilfe von Zunge, Zähnen, Stimmlippen usw.) in eine lautliche Struktur umwandeln, also „vertonen“. Eigentlich alles ganz leicht, oder? Wie kann es also sein, dass man bei Rückfragen im Referat plötzlich sprachlos ist? Schuld daran ist eine Störung in einem der drei Räume. Wenn es an der Konzeptualisierung, der Formulierung oder der Artikulation hapert, bleiben Ihrem Kind während des Referats die Wörter geradezu im Halse stecken. Heiserkeit oder eine geschwollene Lippe können mögliche Gründe sein, warum der „Raum der Artikulation“ nicht betriebsbereit ist, eine neurologische Störung (z.B. Aphasie) könnte den „Raum der Formulierung“ außer Gefecht setzen. Wenn Ihr Kind im Rahmen einer Präsentation (Referat, Buchvorstellung, Prüfung etc.) auf Rückfragen keine Antworten findet, liegt es jedoch zumeist einfach daran, dass es nicht schnell genug einen passenden Gedanken bzw. eine mögliche Antwortidee entwickeln kann. Die Fähigkeit, im Stegreif Antworten und Ideen zu liefern, ist für Ihr Kind im Schulalltag aber durchaus wichtig – nicht nur bei Referaten, auch bei Diskussionen im Unterricht und mitunter sogar auf dem Schulhof in der Pause. Falls Ihrem Kind diese Art der Spontaneität Probleme bereitet bzw. es sich hier noch verbessern möchte, können ein paar einfache Übungen ausreichen, um damit den ersten Raum zu „tunen“.
3 Übungen, die das Sprechdenken trainieren und Referate erleichtern
Übung 1: Assoziationsketten
Bei diesem Spiel geht es darum, Ketten aus Wörtern oder ganzen Sätzen zu bilden, wobei jedes Glied dieser Kette sich am jeweils vorausgehenden orientiert. Grundsätzlich besteht dadurch die Möglichkeit, diese Assoziationsketten unendlich weiterzuführen oder zumindest so lange, bis man keine Lust mehr hat. Natürlich sind diese Erfahrungen und Verknüpfungen bei jedem Menschen anders, sodass nach einiger Zeit durchaus witzige Assoziationen zustande kommen können. Um eine solche Kette zu starten, benötigen Sie im Grunde nichts außer ein paar Mitspieler und einen kleinen Gegenstand (z.B. einen Tennisball). Der erste Redner hält den „Redeball“ in der Hand, bekommt einen völlig willkürlichen Begriff vorgegeben und muss nun möglichst schnell eine Assoziation zu diesem Begriff finden und laut sagen. Anschließend wirft er den Tennisball einem Mitspieler zu, der dann seinerseits eine Verknüpfung zu dem Begriff seines Vorgängers herstellt usw. Ein Beispiel hierfür könnte wie folgt aussehen: Schweden — Elche — Elchtest — Mercedes — BMW — Bayern — Weißwurst etc. Haben Sie genügend Mitspieler gefunden, können Sie auch zwei oder drei Redebälle ins Spiel bringen, um so das Tempo noch weiter zu erhöhen. Beziehen Sie doch gleich Ihre gesamte Familie in dieses Spiel ein. Die einzige Regel, die es zu beachten gilt, ist die des Tempos. Ziel dieser Übung ist das schnelle und spontane Finden von Ideen und Gedanken. Der Erfolg hängt maßgeblich von der Geschwindigkeit ab, mit der die Assoziationskette gesponnen wird. Lassen Sie sich also nicht allzu viel Zeit und sprechen Sie spontan aus, was Ihnen zuerst durch den Kopf schießt.
5 Tipps für das Referat: So bleibt Ihr Kind trotz unangenehmer Fragen souverän!
Bei dieser Übung geht es wieder darum, möglichst schnell Gedanken und Ideen zu entwickeln und sie in einer unvorbereiteten Rede (etwa ein bis zwei Minuten) zu äußern. Alle Mitspieler beschriften ein oder zwei Zettel mit einem Begriff bzw. einem aktuellen Thema (vielleicht der neueste Klatsch und Tratsch aus der Promi-Welt) und legen sie dann in eine Schüssel. Der Spieler, der an der Reihe ist, zieht einen Zettel und beginnt nun seine Stegreifrede über das, was auf dem Zettel steht. Erwischt er zufällig einen seiner eigenen Zettel, legt er ihn einfach zurück und zieht erneut. Da Sie oder Ihr Kind in Bezug auf das gezogene Thema vermutlich nicht immer als Experten glänzen können, gilt es nun, spontan und kreativ zu sein. Dabei ist es jedem Spieler selbst überlassen, was er über den Begriff (den Sportler, den Politiker …) zum Besten gibt, und es spielt keine Rolle, ob sich die Rede an Tatsachen oder Auswüchsen der eigenen Fantasie orientiert. Mit ein wenig Kreativität und Humor können auch hier die lustigsten Geschichten zustande kommen.
„Commercial break“ (Werbepause) ist eine Variante dieser Stegreifreden. In diesem Fall sind die Zettel mit Produkten beschriftet, die von den Mitspielern beworben werden müssen. Dabei sollte klar sein, um welche Sorte Produkt es sich handelt, allerdings sollten Sie darauf verzichten, real existierende Firmen- oder Produktnamen (BiFi, Coca Cola, Milchschnitte usw.) zu verwenden, denn das verleitet nur dazu, sich an den aus dem Fernsehen bekannten Werbeslogans zu orientieren. Lassen Sie sich also eigene „Produkte“ einfallen. Nun ist es an den „Verkäufern“, die Zuhörer bzw. „Kunden“ davon zu überzeugen, dass nur „Chiaras Schokomüsli“ auf den Frühstückstisch und im Sommer nichts als „Peters Bratwurst“ auf den Grill gehört. Achten Sie auch hier darauf, dass das Bewerben unmittelbar nach dem Ziehen des Produktzettels beginnt. Darüber hinaus hat diese Abwandlung des Stegreifredens den wunderbaren Nebeneffekt, dass man gleichzeitig auch den Einsatz von Gestik, Mimik und Metrik trainiert. Falls sich Ihr Kind beim Gedanken daran, eine solche Stegreifrede vor Familienmitgliedern oder Freunden halten zu müssen, nicht wohl fühlt, kann es die ersten Gehversuche auch gerne allein in seinem Zimmer oder vor einem Spiegel machen.
Übung 3: Fernseh-Zapping (für Fortgeschrittene)
Fernseh-Zapping ist ein Spiel für Fortgeschrittene, denn hier wird den Teilnehmern in Bezug auf spontanes und kreatives Reden fast wie bei einem Improvisationstheater alles abverlangt. Der Aufbau dieser Übung ist im Grunde ganz simpel. Zwei Personen sitzen sich gegenüber. Einer übernimmt die Aufgabe des Fernsehers, der andere die des Zuschauers (er hält die Fernbedienung in den Händen). Bei jedem „Programmwechsel“ sagt der Zuschauer, auf welchen Sender er geschaltet hat und was dort gerade zu sehen ist. Der „Fernseher“ muss dann in die Rolle der Fernsehsendung und der an ihr teilnehmenden Personen bzw. Figuren schlüpfen. In einem Augenblick ist er vielleicht noch Günther Jauch und moderiert Wer wird Millionär?, im nächsten verwandelt er sich zu Jan Hofer und sitzt im Studio der Tagesschau, um beim nächsten Zappen dann zu Homer Simpson zu werden, der laut über Kartoffelchips philosophiert. Um Spontaneität und Spaß zu fördern, sollte man versuchen, Stimmen, Gesten oder andere markante Eigenarten der Figuren zu imitieren. Nach ein bis zwei Minuten wechseln die beiden Spielteilnehmer dann die Rollen. Wie schon erwähnt, ist dieses Spiel eine besondere Herausforderung, denn hier muss man sich im Sekundentakt auf einen neuen Sender und somit auf eine neue Rolle einstellen – entsprechend effektiv ist allerdings auch der Trainingserfolg. Doch wie bei den meisten Dingen des Lebens gilt auch hier: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, und zu Beginn des Trainings werden all diese Übungen Ihrem Kind vielleicht etwas Überwindung abverlangen. Doch wenn sich die ersten Erfolge (in der Schule oder zu Hause) einstellen und Ihr Kind spürt, dass es merklich spontaner und schneller auf Fragen oder Anmerkungen reagiert, lösen sich die anfänglichen Hemmungen meist in Wohlgefallen auf.
5 Tipps für das Referat: So bleibt Ihr Kind trotz unangenehmer Fragen souverän!
Darüber hinaus sollte Ihr Kind folgende Tipps beherzigen, die ihm beispielsweise beim Halten von Referaten helfen, trotz unangenehmer Fragen souverän zu bleiben.
- Mut zur Pause!
Denkpausen sind nötig, um einen kühlen Kopf zu bewahren und so eine Lösung auf Fragen oder Probleme zu finden. Abgesehen davon sind Denkpausen auch für das Publikum wichtig, um dem Vortrag stressfrei folgen zu können. - Ein wenig Lampenfieber ist nicht schlimm.
Ganz im Gegenteil: Dadurch steigt die Konzentration, und man richtet den Blick aufs Wesentliche. - Aufkommende Gestik sollte niemals unterdrückt werden.
Auch sie kann den Sprechdenkprozess ankurbeln. - Vorbereitete Formulierungen und gut eingeprägte fachspezifische Begriffe
können helfen, im richtigen Moment sicher und damit spontaner zu sprechen. - Welche Fragen könnten gestellt werden?
Macht sich Ihr Kind bereits im Vorfeld dazu Gedanken, ist es inhaltlich sehr gut vorbereitet und kann die meisten Fragen dann auch beantworten. Niemand erwartet, dass es auf jede Frage sofort eine Antwort weiß.