Mit Provokationen Ihres Kindes in der Pubertät richtig umgehen

Die Pubertät Ihres Kindes ist anstrengend – auch für Sie. Denn oft werden Jugendliche als widerborstig und provokativ erlebt: Ihr Verhalten macht Sie dann regelrecht sprachlos, wütend oder gar hilflos. Erfahren Sie welche Arten von Provokationen Teenager einsetzen, welche Funktionen sie erfüllen und wie Sie am besten damit umgehen sollten. 

Inhaltsverzeichnis

Der richtige Umgang mit pubertärern Provokationen

 Der Begriff „provozieren“ stammt von dem lateinischen Wort „provocare“ ab und bedeutet so viel wie „hervorrufen“ oder „herausfordern“. Jemand, der sich provokativ verhält, möchte bei seinem Gegenüber also bestimmte Gefühle auslösen und/oder eine bestimmte Reaktion hervorrufen.

Provokante Teenager: Was den einen reizt, kann einen anderen kalt lassen.

  • Das liegt daran, dass wir unterschiedliche Wertvorstellungen haben. Je stärker unsere eigenen Vorstellungen und Werte durch bestimmte Aussagen oder Verhaltensweisen verletzt werden, desto mehr fühlen wir uns provoziert.
  • Auch haben wir alle unsere „wunden“ Punkte: Wenn diese getroffen werden, reagieren wir oft heftig, manchmal sogar über.

Bewusste, unbewusste und versehentliche Provokation in der Pubertät

Provokationen geschehen entweder bewusst, unbewusst oder „aus Versehen“.

  • Wenn Ihr Teenager etwas tut, was Sie ausdrücklich verboten haben oder grundsätzlich missbilligen, und zwar in der vollen und bewussten Absicht, Sie damit zu reizen, zu ärgern, hilflos zu machen oder auf „die Palme zu bringen“, handelt es sich um eine bewusste Provokation

    Eine bewusste Provokation ist also eine kognitiv gesteuerte Handlung, deren Ziel es ist, bei bestimmten Menschen etwas Bestimmtes auszulösen. Dem Provozierenden ist diese Absicht bewusst und klar.
  • Eine unbewusste Provokation läuft hingegen weniger kalkuliert ab. Sie ist nicht bewusst geplant, sondern spielt sich auf emotional-unbewusster Ebene ab. So kann Ihr Teenager immer wieder „vergessen“, pünktlich nach Hause zu kommen. Ihm ist nicht bewusst, dass sein Verhalten Sie provoziert, weil er die Zeit tatsächlich vergisst und sich keiner Schuld und erst recht keiner bösen Absicht bewusst ist. Solche Provokationen werden von ihm oft erst im Nachhinein als solche erkannt und verstanden. So kann es sein, dass der notorische jugendliche Zuspätkommer erst viele Jahre später verstehen kann, dass er diese Unpünktlichkeit unbewusst benutzt hat, um Sie emotional auf Abstand zu bringen.
  • Versehentliche Provokation: Nicht jedes Verhalten, das einen anderen ärgert, ist gleich eine Provokation. Wenn Sie sich beispielsweise darüber aufregen, dass ihr Teenager sich sehr häufig mit anderen Jugendlichen trifft oder auch mal Widerworte gibt, fühlen Sie sich zwar tatsächlich provoziert. Das Verhalten Ihres jungen Pubertierenden würde man jedoch eher als entwicklungs- und altersangemessen bezeichnen. Da Sie dieses Verhalten aber möglicherweise noch nicht kennen und sich darüber wundern, (miss)interpretieren sie es als bewusst provokatives und unterstellen Ihrem Kind böse Absichten („Das macht er nur, um uns zu ärgern“). Man könnte diese „gefühlte“ Provokation als mehr oder weniger zwangsläufige Begleiterscheinung der Pubertät bezeichnen: Ihr Teenager kann es nicht vermeiden, dass Sie sich wundern, ärgern oder vor den Kopf gestoßen fühlen. Diese Form der „gefühlten Provokation“
  • geschieht mehr aus Versehen denn aus bewusster oder unbewusster Absicht,
  • resultiert eher zwangsläufig aus den veränderten Bedürfnissen Ihres Jugendlichen,
  • entspringt weniger einem aggressiven Impuls als dem Bedürfnis Ihres Jugendlichen nach Reife und Wachstum,
  • kann deshalb als normale Begleiterscheinung der Pubertät angesehen werden.

Mehr als nur „Gemeinheiten“: Nutzen und Funktion von Provokationen in der Pubertät

Bewusste und unbewusste Provokationen können verschiedene Funktionen erfüllen:

  • Provokationen machen auf Missstände aufmerksam. Das können gesellschaftliche, aber auch innerfamiliäre Probleme sein. Kinder, die sich dauerhaft sehr provokativ („auffällig“) verhalten, weisen durch ihr Benehmen darauf hin, dass im System etwas „faul“ ist.
  • Provokationen sind ein drastischer Ausdruck für bestimmte Befindlichkeiten und Bedürfnisse (z. B. in der Kunst, aber auch im Alltagsleben). So kann ein „aggressives“ Kind ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Zuwendung haben, das es anders nicht ausdrücken kann.
  • Provokationen wollen „wachrütteln“, etwas bewusst machen, neue Perspektiven aufzeigen, andere Verhaltensweisen hervorrufen. Wenn Teenager ihre Eltern provozieren, könnte das bedeuten: „Seht her, ich bin nicht mehr das liebe kleine Kind, das ihr immer haben wolltet. Ich bin jetzt anders! Verhaltet euch gefälligst auch danach!“
  • Provokationen können Menschen auf Abstand bringen oder halten („Wenn ich mich nur eklig genug verhalte, kommt mir keiner zu nah!“). So verhalten sich Menschen mit ausgeprägten Bindungsängsten häufig abstoßend und provokativ. Aber auch Jugendliche, die mehr Raum für ihre Entwicklung brauchen, stoßen enge Verwandte manchmal auf diese Weise von sich weg.
  • Provokationen werden manchmal genutzt, um eigene Gefühle auf andere zu projizieren: Wenn ich mich hilflos fühle und dieses Gefühl loswerden möchte, sorge ich (unbewusst) dafür, dass der andere sich auch hilflos fühlt. Die Gefühle, die Teenager bei ihren Eltern auslösen, haben sie oft selbst, etwa Wut, Hilflosigkeit, Ärger, Verzweiflung etc.